Atteste

Kammer im Norden fürchtet Fall-Explosion

Arbeitgeber können Atteste vom ersten Krankheitstag an verlangen, bestätigte das Bundesarbeitsgericht. Die Kammer Schleswig-Holstein mahnt zu Zurückhaltung.

Veröffentlicht:
AU-Schein: Droht der Run auf die Praxen?

AU-Schein: Droht der Run auf die Praxen?

© Thomas Siepmann / fotolia.com

BAD SEGEBERG. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein appelliert an private und öffentliche Arbeitgeber im Norden, bei einem moderaten Umgang mit Krankheitsattesten zu bleiben.

Dies entlaste die ohnehin angespannte ambulante Versorgung, verursache keine Kostensteigerungen und diene dem Betriebsfrieden.

Ein ärztliches Attest ab dem ersten Krankheitstag dagegen könnte nach Befürchtung von Kammerpräsident Dr. Franz-Joseph Bartmann zu einer Fall-Explosion in den Arztpraxen führen.

"Wenn jeder Arbeitnehmer mit leichtem Unwohlsein oder einem harmlosen Infekt sofort zum Arzt gehen müsste, bleibt Medizinern noch weniger Zeit für die Behandlung tatsächlich wichtiger Fälle", so Bartmann. "Die Wartezimmer sind schon jetzt übervoll", sagte der Kammerpräsident.

Morbidität würde statistisch steigen

Er wies damit auf das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichtes hin. Die Richter hatten das Recht der Arbeitgeber auf ein ärztliches Attest vom ersten Krankheitstag an bestätigt.

Bei einer strengen Auslegung dieses Urteils rechnet Bartmann mit einer künstlichen Aufblähung der Morbidität: "Jeder banale Infekt bekommt dann einen eigenen Krankheitswert, der in der Morbiditätsstatistik erfasst wird."

"Das heißt: Ein Attest ab dem ersten Tag macht die Deutschen rein statistisch kränker als sie tatsächlich sind. Das treibt die Kosten, denn die Vergütung der Ärzte erfolgt zunehmend morbiditätsorientiert", so Bartmann.

Zugleich verwies der Kammerpräsident auf die damit verbundenen Folgen für die Arbeitgeber: "Sie zahlen knapp die Hälfte der Krankenkassenbeiträge, die durch unnötige Behandlungen und höhere Morbidität steigen dürften." (di)

Az.: 5 AZR 886/11

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Gender Pay Gap bleibt konstant

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt