Kassen greifen Besitzstände der Ärzte an

Der GKV-Spitzenverband will kommenden Ärztegenerationen die Möglichkeit nehmen, ihre kassenärztliche Zulassungen bei der Aufgabe der Praxis zu Geld zu machen. Regierung und Opposition halten dagegen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eigentum ist die Zulassung nicht. Geld wert für Ärzte schon.

Eigentum ist die Zulassung nicht. Geld wert für Ärzte schon.

© Michaela Illian

BERLIN. Mit seiner Forderung, die Zulassungen erlöschen zu lassen, wenn der Arzt die Praxis aufgibt, stößt der GKV-Spitzenverband auf wenig Gegenliebe. Sprecher von Regierung und Opposition werfen dem Verband vor, auf Zwangsmaßnahmen und Enteignung zu setzen.

Niedergelassene sollen ihre kassenärztlichen Zulassungen nicht mehr verkaufen oder vererben dürfen, schlägt GKV-Vize Johann-Magnus von Stackelberg vor. So soll die von den Kassen unterstellte Überversorgung in den Städten abgebaut werden.

Aktuelle Besitzstände will Stackelberg nicht angreifen. Wer heute schon eine Zulassung habe, solle seine Zulassung noch zu Geld machen dürfen. Viele Ärzte rechnen den Wert der Zulassung in ihre Altersversorgung mit ein.

Das sollen künftige Ärztegenerationen nach dem Willen des Spitzenverbandes nicht mehr können. In der Debatte um den richtigen Weg, die ärztliche Versorgung sicher zu stellen, fliegen die Argumente hin und her.

Im Hintergrund schwingt immer mit, wie der Gemeinsame Bundesauschuss (GBA) künftig aufgestellt sein wird. Das höchste Gremium der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens wird mit dem Versorgungsgesetz beauftragt werden, die Bedarfsplanung zu reformieren.

Der Ausschuss soll unter anderem Regeln zur Feinsteuerung des lokalen Versorgungsbedarfs und für bestimmte Leistungsbereiche auch des qualifikationsbezogenen Sonderbedarfes aufstellen. Um dabei viel mitreden zu können, rangeln Leistungserbringer und Kassen seit geraumer Zeit um jeden Millimeter Einfluss im Ausschuss. Personalien spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

In die Zeit, in der sich der Ausschuss mit den Aufträgen aus dem Versorgungsgesetz beschäftigen wird, fällt wahrscheinlich auch der Wechsel an der Spitze des GBA. Der Vorstoß von Stackelbergs muss auch unter diesen Gesichtspunkten eingeordnet werden. Das Gesundheitsministerium lehnt ihn im Moment noch ab.

"Strafen für Ärzte sind der falsche Weg. Die Koalition setzt auf Anreize, um das medizinische Angebot in bisher unterversorgten Gebieten zu verbessern", teilte ein Sprecher des Ministeriums mit.

Von einem "vergifteten Vorschlag" sprach der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Karl Lauterbach. Die Kassen wollten Ärzte durch die Hintertür enteignen. Besser sei, wenn die KVen Arztsitze zurückkauften, um Ärzte in unterversorgten Regionen anzusiedeln, sagte Lauterbach der "Ärzte Zeitung".

"Zwangsmaßnahmen und Eingriffe in die Berufsfreiheit lehnen wir ab", kommentierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, Ulrike Flach, den Vorschlag der Kassen. Die Regierungskoalition setze auf freiwilligen Verzicht von Ärzten, sich in überversorgten Regionen niederzulassen, und auf ein Vorkaufsrecht der KVen, wenn eine Praxis nicht vererbt werden kann.

Nur in Regionen, in denen der Versorgungsgrad jenseits von 100 Prozent liege, solle es die Möglichkeit von befristeten Zulassungen geben, sagte Flach der "Ärzte Zeitung". Wo 100 Prozent liegen, wird aber auch der GBA bestimmen.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 29.04.201101:40 Uhr

In der Versorgungsdebatte ist Ruhe die erste Bürgerpflicht !

Vernetzt betrachtet, werden sich partielle Überversorgung (!) und teilweise deutliche Unterversorgung der Patienten (die Patienten und nicht die Arztsitze sind beim Thema Versorgung immer der Ausgangspunkt !)nicht bereinigen lassen, wenn man nicht einerseits an eine systematische Überprüfung aller Faktoren denkt, die Versorgung auf dem Lande zu verbessern und gleichzeitig in den Ballungsgebieten zu begrenzen.
Die Methoden zur Problemlösung müssen rechtsstaatlichen Kriterien standhalten, das gegenseitige Vertrauen der Selbstverwaltungorgane und vor allem (!!) die Motivation (!!) der Versorger bestärken.

Die jüngste berufspolitische Versorgungsdebatte zeigt, dass man sich von den faktischen Prämissen entfernt hat und sich teilweise mit reinem Schattenboxen beschäftigt. Das ist aber durchaus die Regel zu Beginn einer solchen Auseinandersetzung.

Wir Ärzte sollten Stärke zeigen, Ruhe bewahren und ängstlicher Aufgeregtheit keinen medialen Raum geben.

Sehr viel Kompetenz haben die Kassenfunktionäre in jüngster Zeit nämlich nicht bewiesen. Insofern handelt es sich diesbezüglich um Binnenlegitimation der üblichen Art.

Manchmal laufen Verhandlungen in die falsche Richtung, weil unsere Selbstverwaltung von Ungeduld und Unmut ihrer Mitglieder aufgepeitscht wird oder sich gar von der Gegenseite provozieren lässt.
Es geht aber bei solchen Fragen weder um Propagandaerfolge, noch um die Lautstärke des Protestes gegen (Verzeihung) jeden Pups, sondern um Meinungsführerschaft und einen langen Atem. Wer sitzt denn zunehmend am längeren Hebel (wenn wir uns in den Zielen einig sind/wären) ?

Dr. Thomas Georg Schätzler 28.04.201113:06 Uhr

Wenn die ''GKV-Spitze'' provoziert, hüte man sich vor ''falschen Freunden''

Erst mal ganz ruhig durchatmen und bis 10 zählen: Da fantasiert der
"Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen" von "jahrzehntealten Privilegien", von Praxissitzen als "Erbhöfen", von "Verkauf der Kassenzulassungen" und wird sogar von der KBV darauf hingewiesen, dass wir jetzt die Probleme des 21. Jahrhunderts und nicht die Privilegien des 20. haben.

Im ländlichen Raum und in Klein- bzw. Mittelstädten geben die Banken keine Kredite für Neugründungen und Praxisübernahmen. In sozialen Brennpunkten der Ballungszentren schon gar nicht. Doch eine Praxis kann nur mit neuen Investitionen aufgebaut werden, sie schafft Arbeitsplätze für MitarbeiterInnen und sichert Beschäftigung im Logistik- und Zuliefererbereich. Diese Investitionen müssen sich "rechnen" und über einen Verkauf amortisieren.

Dann fordern dieselben GKV-Kassen, die einmütig mit Spitzenverbands-Vize Johann-Magnus von Stackelberg im Präventivbereich ihre Versicherten mit Bonusheften zuschütten, die der ''Doc'' dann gefälligst am Anmeldetresen kostenfrei auszufüllen hat, eine "Zulassung auf Zeit"? Während die Versicherten einen Präventivbonus bekommen, der einem ganzen Jahres-Regelleistungsvolumen (RLV) entspricht, schaut sein Hausarzt bei sinkendem Punktwert, unsicherem RLV und nach oben offener Inanspruchnahmementalität in die Röhre?

"Neue, befristete Arzt-Zulassungen auf Zeit"? Das ist doch der Gipfel! Warum nicht konsequent vertragsärztliche Tätigkeit gleich nur noch mit Zeit- und Leiharbeitsverträgen regeln? Die niedergelassenen Ärzte sind doch eh'' gewohnt, etwa ein Drittel ihrer Leistungen bevorzugt zum Quartalsende für "lau" zu erbringen, weil der Fallwert nicht der geleisteten Arbeit am und mit den Patienten entspricht. "Leihmutter" für diese Art von ärztlicher Leiharbeit wäre dann der GKV-Spitzenverband. Wer die "Leihväter" sein sollen, bleibt noch abzuwarten. Vielleicht die einzelnen KVen?

Man hüte sich allerdings vor falschen Freunden. Im Haifischbecken der GKV wurden bisher für die ärztlichen Leistungserbringer so manche
''falsche'' Krokodilstränen vergossen. Wer, wie der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Prof. Dr. med. Karl Lauterbach von einem
"vergifteten Vorschlag" spricht, outet sich damit als besonderer Experte für das Verspritzen von ''Gift und Galle''. Man denke nur an seine Strafzahlungsvorschläge für lange Wartezeiten auf Facharzttermine.
FDP-typisches Larifari kommt von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, Ulrike Flach: "Zwangsmaßnahmen und Eingriffe in die Berufsfreiheit lehnen wir ab", kommentierte sie. Nur einen Atemzug später ''giftet'' dieselbe ''Expertin'': Wenn der
"Versorgungsgrad jenseits von 100 Prozent liege, solle es die Möglichkeit von befristeten Zulassungen geben". Eine echte
''Contradictio''! Der Gemeinsame Bundesausschuss, nach dem geplanten Versorgungsgesetz obendrein auch noch mit der Bedarfsplanung befasst, wird uns Vertragsärzten mit seinem über 70-jährigen Vorsitzenden auch nicht wirklich weiterhelfen können.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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