Kassen sollen konkurrieren, statt zu kooperieren
BERLIN/BONN (fst). Die gesetzlichen Krankenkassen sollen viel stärker auf Wettbewerb gepolt werden, fordert die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung.
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Die Monopolkommission fordert: Mehr Wettbewerb unter Krankenkassen.
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Bislang sind die Krankenkassen durch viele Vorschriften zu gemeinsamem Handeln verpflichtet - etwa in den Kollektivverträgen, die sie mit Kassenärztlichen Vereinigungen schließen. Die Monopolkommission fordert in ihrem neuen Gutachten, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, dies müsse die Ausnahme bleiben. Deshalb schlägt die Kommission vor, im Sozialgesetzbuch V ein neues Leitbild für die Kassen zu verankern. Danach soll der Wettbewerb der Kassen untereinander die Regel sein. Ausnahmen davon seien nur dort zulässig, wo Kassen zu gemeinsamem Handeln verpflichtet sind, um ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Die GKV ist bislang in weiten Teilen vom Kartellverbot ausgenommen. Das könne um so weniger bleiben, "je mehr sich der Ansatz einer solidarischen Wettbewerbsordnung für die GKV durchsetzt".
Entsprechend kritisch beurteilt das Beratungsgremium vor allem die gesetzlichen Vorgaben für Hausarztverträge. "Wettbewerbliche Effizienzvorteile" seien von den Verträgen nach Paragraf 73 b nicht zu erwarten, da "die kollektiven Strukturen der Regelversorgung lediglich durch andere kollektivvertragliche Strukturen ersetzt wurden". Hoffnungsträger beim Ausbau einer Wettbewerbsordnung in der GKV sind für die Monopolkommission Integrationsverträge. Dagegen gebe es hinsichtlich des Zusammenwirkens verschiedener Leistungserbringer im Kollektivvertrag "nur geringe oder sogar gegenläufige Anreize". Diese Aussage steht in Gegensatz zu Bekundungen von KV-Funktionären, die in einem "modernisierten" KV-System Vorteile im Vergleich zu Vollversorgungsverträgen sehen.
Nur "vorläufig" sollte der Gesetzgeber an einem Nebeneinander von Kollektiv- und Selektivverträgen festhalten, rät das Gremium. Stärker als bisher sollen Versicherte die Option haben, in Wahltarifen sich ganz oder teilweise für andere Versorgungsformen zu entscheiden, die auf Selektivverträge aufbauen.
Zentrales Wettbewerbshindernis ist aus Sicht der Kommission die Bereinigung der KV-Gesamtvergütung um die Leistungen, die in Einzelverträgen erbracht werden. Die bisherigen Regeln "verhindern fairen Wettbewerb". Daher sollte der Gesetzgeber das Verfahren der Budget-Bereinigung "stärker standardisieren", um den Kassen "kalkulierbare Wettbewerbsbedingungen" zu bieten.
Die Kommission spricht sich außerdem für verpflichtende Eigenbeteiligung der Patienten aus. Diese sollte als relativer Anteil an der Arztrechnung festgesetzt werden. Die Rechnungsstellung soll nach Ansicht der Gutachter Job der Krankenkassen sein. Sollte sich der Gesetzgeber diesem Vorschlag anschließen, sei ein Sozialausgleich notwendig, ergänzt die Kommission. Im Fokus der Gutachter stehen auch die Apotheken. Dabei empfehlen sie eine "vollständige Deregulierung" des Einzelhandels mit Arzneimitteln. Kern des Vorschlags ist ein Preiswettbewerb auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Dazu soll einerseits die Zuzahlung für gesetzlich versicherte Patienten sowie andererseits die Vergütungpauschale für Apotheker von 8,10 Euro entfallen. Stattdessen sollen Patienten die Apotheker für ihre Beratungsleistung bezahlen. Dadurch entsteht aus Sicht der Kommission ein "wirksamer Preiswettbewerb zwischen den Apotheken". Widerspruch dazu kommt von der Bundesapothekerkammer. Deren Präsidentin Erika Fink sagte: "Nicht der Geldbeutel darf darüber entscheiden, ob jemand vor der Einnahme eine rezeptpflichtigen Medikaments vom Apotheker umfassend informiert wird oder nicht." Gerade für ältere, chronisch kranke und multimorbide Patienten sei der "Service-, Leistungs- und Qualitätswettbewerb der Apotheken innerhalb der gesetzlichen Grenzen von großer Bedeutung".