Europäischer Gesundheitskongress München
Klinikreform im Fokus: „Krankenhäuser zahlen den Preis für Fehlentwicklungen“
Wie die Transformation des stationären Sektors mit dem Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) gelingt, bleibt abzuwarten. Warum es auch eine sektorenübergreifende Reform braucht, wurde auf dem Europäischen Gesundheitskongress München diskutiert.
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Wie kann die Transformation der Kliniklandschaft gelingen? Der Chef der Universitätsklinika, Professor Jens Scholz, und BMG-Unterabteilungsleiterin Johanna Sell im Austausch auf dem Gesundheitskongress-Podium. Neben weiteren Experten diskutierten auch Dr. Roland Engehaus (l.) und Dr. Dirk Elmhorst (r.) mit.
© Klaus D. Wolf
München. „Wenn wir es schaffen, in einem starkem ordnungspolitischen Rahmen die Luft der Freiheit wehen zu lassen, bekommen wir die Probleme gelöst.“ Bewusst optimistisch zeigte sich Dr. Andreas Beivers, wissenschaftlicher Leiter des 24. Europäischen Gesundheitskongresses in München, mit Blick auf die Krankenhausreform.
Unter der Fragestellung „Krise oder Chance?“ moderierte er ein Podium zu der Frage, wie sich die Kliniklandschaft gezielt transformieren lasse. Kongressleiterin Claudia Küng appellierte an die Bundesregierung: Ein Krankenhausmanager benötige zwar einen Rahmen, wolle aber handeln können und dabei auch Spielräume haben.
Kleinteiliger Koalitionsvertrag beim Thema Klinikreform
Als Vertreterin aus Berlin gab Johanna Sell, Leiterin der Unterabteilung Gesundheitsversorgung und Krankenhauswesen im Bundesgesundheitsministerium, einen Überblick über den Stand der Krankenhausreform. Sie habe, gab Sell unumwunden zu, noch nie einen Koalitionsvertrag gesehen, in dem sich eine Regierung so kleinteilig mit einem Thema auseinandergesetzt habe.
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An ihrer Abteilung war es, die „Reform der Reform“ in den Entwurf zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) zu packen. Das Bundeskabinett hat diesen am 8. Oktober beschlossen.
Ein „Zerren an allen Ecken und Enden“
Wichtigster Punkt seien die Änderungen bei den Ausnahmemöglichkeiten gewesen. Sell sprach von einem „Zerren an allen Ecken und Enden“ während der letzten Wochen. Mit Blick auf die nun 61 statt ursprünglich 65 Leistungsgruppen betonte die Expertin: Langfristig sei hier noch nicht aller Tage Abend. Wichtig sei zunächst aber, Planungssicherheit zu schaffen und „das, was wir an Leistungsgruppen haben, zu fixieren“.
Im besten Fall hofft sie auf einen Gesetzesbeschluss bis März 2026 und „auf ein Gesetz, das ein wenig Sicherheit für die Länder und Krankenhäuser“ bringe. Sell sagte allerdings auch: Eigentlich müsste man an einem noch viel größerem Wurf arbeiten – nämlich einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung. Das aber seien „ganz große Themen, die in diesem Koalitionsvertrag nicht behandelt wurden“.
„Maßnahmen bekämpfen nur die Symptome“
Dr. Dirk Elmhorst, Geschäftsführer der Mediqon GmbH, schaute aufs „Krankenhaus der Zukunft“ – und seine Thesen ließen auch die Reform nicht allzu gut wegkommen. So sprach er von einem „völlig ungesteuertes Gesundheitsversorgungssystem“. Krankenhäuser zahlten den Preis für Fehlentwicklungen, die anderswo im System verursacht würden. Sie seien nicht das Problem, sondern die Leidtragenden. Und die politischen Maßnahmen bekämpften Symptome statt die Ursachen zu beheben.
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Gleichzeitig sei das Potenzial groß, die Krise durch Innovation zu meistern. Das Gesundheitssystem brauche dafür Ordnung, aber keine Fesseln. Es brauche andere Anreizsysteme als die bestehenden. Und: Maßnahmen müssten transparent und auf Grundlage aktueller Daten diskutiert werden.
Über Leistungsspektrum ehrlich Gedanken machen
Positive Energie sei schwierig, weil „die Rahmenbedingungen sind wie sie sind“, dämpfte Dr. Jens Schick, COO sowie Vorstandsmitglied der Sana Kliniken AG. Man habe eine Krankenhaus-, aber keine Gesundheitsreform. An deren Grundzügen werde sich nichts mehr ändern.
„Das bedeutet Veränderung für alle – und ich würde immer empfehlen, diese aktiv anzugehen“, so sein pragmatischer Rat. Ein wesentlicher Faktor sei nun, dass sich jeder in seiner Klinik über das eigene Leistungsspektrum noch einmal ehrliche Gedanken mache.
Auch sieht Schick bei so viel Personal in den Kliniken wie noch nie, jedoch 30 Prozent Effizienzverlust durchaus Möglichkeiten, noch wirtschaftlicher zu arbeiten. Fragen müsste sich Kliniken, wie sich Personal gewinnen lasse, das dauerhaft bleibe. Und es müsse darum gehen, wie sich die verschiedenen Gesundheitssektoren miteinander vernetzen lassen, um Patienten über alle Versorgungsstufen hinweg zu begleiten – selbst oder mit Partnern.
Reform soll erst 2030 abgeschlossen sein
Einige Punkte der Krankenhausreform seien so, „dass wir ganz gut damit leben können“, sagte Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Was er bedauere: Es gehe in Diskussionen wenig um die Patienten. Was es brauche, seien trägerunabhängig vernetzte Strukturen vor Ort. Engehausen wörtlich: „Kriegen wir die Reform hin? Ja. Wird es eine Ergebnisverbesserung in der Versorgung geben? Keine Ahnung. Wird es Fehlanreize geben? Ja.“
Professor Dr. Dr. Jens Scholz, Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschland und Geschäftsführer des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, gab überdies zu bedenken: „Wir nehmen uns jetzt nochmal ein mehr Zeit. Das heißt aber auch: Die Reform soll erst 2030 abgeschlossen sein.“ Und: Was in den nächsten fünf Jahren tatsächlich passiere, „wissen wir noch nicht“. Und dann sei wieder Bundestagswahl.
Gefordert: Ein deutlich regionalerer Fokus
Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin und Sprecherin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland e.V. (KKVD), forderte mit Blick auf Leistungsgruppen und Vergütungsgruppen einen regionaleren Fokus: „Wir wehren uns sehr stark gegen diese bis ins Letzte regulierte auf Bundesebene vorgegebene Systematik. Nur die Länder haben ein Gefühl dafür, wie die Versorgung vor Ort und in den Kommunen zu gewährleisten ist.“ (mic)