Referentenentwurf zur Apothekenreform

In engen Grenzen: So sollen Apotheker Rx-Produkte ohne ärztliches Rezept abgeben

Ganz so frei, wie es zunächst den Anschein hatte, wird die eigenverantwortliche Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel in der Offizin nun doch nicht aufgesetzt. Das Gesundheitsministerium will den Apothekern Krankheitsbilder vorgeben.

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Berlin. Mit ihrer Ankündigung, Apotheken die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente ohne ärztliche Verordnung ermöglichen zu wollen, hatte Bundesgesundheitsministerin Warken unlängst weite Teile der Ärzteschaft in Aufruhr versetzt. Inzwischen liegt der Referentenentwurf zur Apothekenreform vor – und das Abgabe-Vorhaben gewinnt Kontur.

Zum Ersten sollen demnach Apotheken „einmalig in der kleinsten Packungsgröße“ die kurzfristige Anschlussversorgung mit einem Präparat verantworten, das dem Patienten bereits „über mindestens vier Quartale hinweg“ verschrieben wurde. Vorausgesetzt, die Fortsetzung der medikamentösen Therapie „erlaubt keinen Aufschub“, wie es im Gesetzentwurf heißt. Nachzuweisen sei die vorherige Dauerverordnung anhand der elektronischen Patientenakte.

Flankiert wird diese Anschlussversorgung ohne Arztrezept von diversen Ausschlüssen: Keinesfalls sollen die Offizinbetreiber demnach T-Rezept pflichtige Mittel (Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid) oder Retinoide (Acitretin, Alitretinoin, Isotretinoin) ohne ärztliches Rezept herausgeben.

Indikationskatalog geplant

Gleiches gilt für Betäubungsmittel oder opioidhaltige Arzneimittel, die nicht dem Betäubungsmittelrecht unterliegen, sowie für Hypnotika, Sedativa und Anxiolytika. Ebenfalls tabu sind Arzneimittel, die laut Fachinformation bei Folgeverordnungen einer erneuten ärztlichen Diagnostik oder Kontrolle bedürfen sowie Anschlussversorgungen im Off-Label-Use.

Zum Zweiten sollen Apotheker künftig aber auch auf eigene Kompetenz und eigenes Risiko verschreibungspflichtige Medikamente gegen unkomplizierte Akuterkrankungen verkaufen dürfen. Um welche Indikationen es sich dabei handelt, will das Bundesgesundheitsministerium in einer späteren Rechtsverordnung nach Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestimmen.

Gegenstand dieser Rechtsverordnung könnten laut Gesetzentwurf außer Bagatellindikationen unter anderem auch Patientengruppen, bestimmte Stoffe und Zubereitungen, Dosierungen, Darreichungsformen und Packungsgrößen sowie Handlungs- und Dokumentationsanweisungen sein.

Je Fall 14 Euro gespart?

Praxisinhabern verspricht der Gesetzgeber durch die Rx-Abgabe ohne Rezept Entlastung. Wie es zum Erfüllungsaufwand in der Entwurfsbegründung heißt, seien je Patientenbesuch „geschätzt 20 Minuten zur Terminvereinbarung, Anmeldung, einem kurzen Arztgespräch und Erstellung der Verordnung erforderlich“.

Beteiligung des Praxisteams eingerechnet, veranschlagt man im BMG einen Stundensatz von 41 Euro und danach „rund 14 Euro“, die „durch Wegfall des Arztbesuches pro Fall für die Arztpraxis eingespart werden“. Zudem bliebe den Patienten „rund 45 Minuten Zeitaufwand“ erspart. Dem entgegen stünde ein Verlust abrechenbarer Leistungen, der sich dank frei werdender Praxiskapazitäten jedoch anderweitig kompensieren ließe.

Die pharmazeutischen Standesvertretern ließen die aktuelle Konkretisierung der eigenverantwortlichen Rx-Medikation zunächst unkommentiert. Thematisch hatte in einer ersten Stellungnahme des Dachverbands ABDA am Dienstag die Forderung nach Erhöhung des Packungshonorars Vorrang. Mehr Geld hatte Gesundheitsministerin Warken allerdings mit Hinweis auf die angespannte Finanzlage der Krankenkassen vorerst ausgeschlossen. (cw)

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