Koalition mischt Karten im Arzneimarkt neu

Am Dienstag hat das Bundeskabinett Teil zwei des Arznei-Spargesetzes auf den Weg gebracht. Seine Schwäche: Es senkt die Kosten nur langfristig.

Veröffentlicht:
1,7 Milliarden Euro Ersparnis erhofft sich das Gesundheitsministerium durch das Arznei-Spargesetz.

1,7 Milliarden Euro Ersparnis erhofft sich das Gesundheitsministerium durch das Arznei-Spargesetz.

© Franz Pfluegl / fotolia.com

BERLIN/MOTZEN (fst/sun). Die Bundesregierung drückt aufs Tempo: Am Dienstag hat das Arzneimittel-Neuordnungs-Gesetz (AMNOG) das Kabinett passiert (wir berichteten kurz). Bereits für den 9. Juli ist die erste Lesung im Bundestag geplant. In letzter Minute hat Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler den Referentenentwurf geändert und bittet nach der Pharmaindustrie nun auch den Großhandel zur Kasse.

Dessen Vergütung soll sich in Zukunft an der der Apotheker orientieren. Sie wird sich aus einem Festzuschlag von 60 Cent je Packung und einem prozentualen Zuschlag von 1,7 Prozent des Abgabepreises des Unternehmers zusammensetzen. Maximal darf der prozentuale Zuschlag bei hochpreisigen Präparaten 20,40 Euro betragen. Bislang kann der Großhandel bis zu 72 Euro pro Packung auf den Abgabepreis aufschlagen. Rösler will durch die neue Großhandelsmarge 400 Millionen Euro jährlich für die GKV einsparen. Weitere 150 Millionen Euro sollen durch "marktnahe Abrechnungspreise" für Fertigarzneien in parenteralen Zubereitungen gespart werden. Künftig erhält der GKV-Spitzenverband dazu Daten über die Einkaufspreise.

Nicht mehr im AMNOG findet sich das Verbot von Pick-up-Stellen. Das Vorhaben, Rezeptsammel- und Medikamentenabholstellen zu verbieten, hat das Ministerium wegen verfassungsrechtlicher Bedenken vorerst ad acta gelegt.

Den Schwerpunkt im AMNOG bildet aber die Neuordnung der Erstattung von neuen Arzneimitteln ohne Festbetrag. Künftig sind Hersteller verpflichtet, den Nutzen ihres Präparats nachzuweisen und binnen eines Jahres den Preis mit den Kassen auszuhandeln. Geschieht dies nicht, entscheidet darüber eine Schiedsstelle. Allerdings wird diese Vorgabe die Kassen erst ab dem Jahr 2012 entlasten. Den Sparbetrag schätzt das Bundesgesundheitsministerium auf maximal 1,7 Milliarden Euro.

Das Gesetz sei "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes am Dienstag in Motzen bei Berlin. Dennoch habe sich der Spitzenverband einen größeren Schritt erhofft. Es sei bedauerlich, dass eine "vierte Hürde" in dem Gesetz fehle. Kritisch sei zudem, dass die geplante Kosten-Nutzen-Bewertung neuer hochpreisiger Medikamente bis zu 54 Monate dauern könne. Dies sei auch schneller möglich. Dennoch sei es richtig, dass die Bundesregierung das Problem aufgegriffen habe, so von Stackelberg.

Lesen Sie dazu auch: GKV-Sparpaket - viele Papiere, kein Ergebnis Fieberhafte Suche nach GKV-Sparmilliarden Anhebung des Zwangsrabatts für Arzneimittel beschlossen

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Diskussion um Wirkstoff nach Zulassungserweiterung

Nutzenbewertung: G-BA entscheidet für Evidenztransfer

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

© Springer Medizin Verlag GmbH

AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
In Deutschland gibt es immer weniger klinische Forschung. Was Deutschland hingegen zu leisten imstande ist, zeigte sich zuletzt bei der COVID-19-Pandemie: mRNA-basierte Impfstoffe wurden schnell entwickelt und produziert.

© metamorworks / stock.adobe.com

Handlungsempfehlungen

Deutschland-Tempo statt Bürokratie-Trägheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren