Bundespolitik

Koalition ringt um Startschuss für nationalen Diabetesplan

In Zeiten von Corona fallen Themen wie die geplante Diabetesstrategie hinten runter. Politiker von Union und SPD geben die Hoffnung aber nicht auf, dass es noch was wird damit.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Ohne Diabetesstrategie wird diese Diagnose häufiger gestellt werden müssen, als es nötig ist, fürchten Experten.

Ohne Diabetesstrategie wird diese Diagnose häufiger gestellt werden müssen, als es nötig ist, fürchten Experten.

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Berlin. Gesundheitspolitiker von Union und SPD wollen die geplante nationale Diabetesstrategie längst nicht begraben. Der Weg dorthin sei noch weit, aber unumgänglich, betonte der CDU-Gesundheitsexperte Dietrich Monstadt bei einer Veranstaltung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) kürzlich in Berlin.

Die Prävalenz des Diabetes entwickele sich zur gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, so Monstadt. Schätzungen gehen seinen Angaben zufolge von einer relativen Zunahme des Diabetes-Typ-2 von zwischen 54 bis 77 Prozent bis zum Jahr 2040 aus. Das würde in absoluten Zahlen einen Anstieg von zwischen 3,8 bis 5,4 Millionen an Diabetes-Typ-2 erkrankten Menschen bedeuten. Ausgangspunkt seien die derzeit 6,9 Millionen Menschen mit diagnostiziertem Diabetes. „Das sind vor dem Hintergrund einer Gesundheitsversorgung, die das leisten muss, exorbitante Zahlen.“

Jetzt müssen wir leider wieder mit einem neuen Zug da rangehen.

Dietrich Monstadt (CDU), Mitglied des Bundestags-Gesundheitsausschusses

Eine Strategie, die Aussagen treffe zu Vorbeugung und Früherkennung, die Versorgungsangebote bekannt mache, Datengrundlagen zur Versorgungslage schaffe, Forschung aufbaue und Aufklärung betreibe, müsse auch eine Aussage zu gesunder Ernährung treffen, sagte Monstadt. Und genau an der Stelle hake es bei der Einigung auf eine Diabetesstrategie, weil dann die Ernährungspolitiker ins Spiel kämen.

Immerhin habe es die Diabetesstrategie kurz vor Weihnachten auf die Tagesordnung des Bundestags geschafft. Die SPD habe aus nachvollziehbaren Gründen dann einen Rückzieher gemacht, weil eine solche Strategie nicht ohne ernährungspolitische Ansätze abgeschlossen werden sollte. „Und jetzt müssen wir leider wieder mit einem neuen Zug da rangehen.“

„Optimistisch, dass wir hier zeitnah etwas vorlegen werden“

Angesprochen auf die Diabetesstrategie betonte auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, im Interview mit der „Ärzte Zeitung“: „Aus gesundheitspolitischer Sicht wäre das gut und richtig.“ Man leiste hier Überzeugungsarbeit auch für andere politische Felder. „Ich bin optimistisch, dass wir hier zeitnah etwas vorlegen werden.“

Auch SPD-Politiker wie Bärbel Bas hatten zuletzt betont, man sei weiter offen für Gespräche über den nationalen Rahmenplan zu Diabetes. Ohne einen Ernährungsteil mache das Vorhaben aber keinen Sinn.

Verrannt haben sich Union und SPD konkret bei der Frage einer verbindlichen Reduktion von Zucker in Kinderlebensmitteln sowie der Werbung für entsprechende Produkte. Die Sozialdemokraten beharren auf beiden Punkten.

Eine um den Ernährungsteil reduzierte Diabetesstrategie sei abwegig, betonte jetzt auch DDG-Präsidentin Professor Monika Kellerer. Sie rief die Koalition auf, „taktische Scharmützel“ zu beenden. Sollte doch noch ein Rahmenplan beschlossen werden, seien Einzelmaßnahmen in Gesetze zu kleiden. „Ansonsten würden wir bei Unverbindlichkeit bleiben.“

Kellerer verlangte von der Bundesregierung mehr Engagement im Kampf gegen Diabetes. „Das ist auch eine Epidemie, wenn nicht sogar eine Pandemie. So wie das Coronavirus aktuell Schlagzeilen erzeugt, tut es Diabetes leider nicht, obwohl wir sieben Millionen Erkrankte haben.“

Es wäre wünschenswert, wenn die Regierung bei Diabetes mit ähnlicher Schlagkraft tätig würde wie bei Corona, so Kellerer. Offenbar hätten sich Politik und Gesellschaft aber an die hohen Erkrankungs- und Sterberaten bei Diabetes gewöhnt. Die-Fallzahlen könnten sich allein in Deutschland auf bis zu zwölf Millionen hochschaukeln. (Mitarbeit: af)

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