Cannabis für Schwerkranke

Koalition will Hürden abbauen

Cannabis auf Kassen-Kosten: Das soll für Schmerzpatienten schon bald möglich sein. Die Drogenbeauftragte hat sich nun öffentlich für ein entsprechendes Gesetz stark gemacht.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:

BERLIN. Seit Jahren hält die Debatte um eine Teil-Legalisierung von Cannabis für Schwerkranke bereits an - nun könnte sie bald ein Ende haben.

Denn die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" angekündigt, den Cannabis-Gebrauch für bestimmte medizinische Indikationen zu erleichtern.

"Mein Ziel ist, dass in Zukunft mehr Menschen als bisher Cannabis als Medizin bekommen können", sagte die CSU-Politikerin. "Für diese Patienten müssen die Kosten von den Krankenkassen erstattet werden."

Noch in diesem Jahr solle das Gesetz durch den Bundestag gebracht werden. Tatsächlich arbeite das Gesundheitsministerium "unter Hochdruck" an einer Regelung, bestätigte das Büro von Mortler auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) betonte: "Wir wollen, dass schwerkranke Menschen, denen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, gut versorgt werden. Deshalb werden wir die rechtlichen Bedingungen, unter denen dies erfolgt, zeitnah anpassen."

Dazu gehöre die Frage der Kostenerstattung durch die Krankenkassen in diesen medizinisch begründeten Fällen, aber auch die Frage, wie Missbrauch wirksam verhindert werden kann.

Im Visier der Ermittler

In anderen Ländern hat sich die Regelung bereits bewährt. Zuletzt hatte beispielsweise Chile im September bekannt gegeben, mit einer staatlich überwachten Hanf-Plantage zukünftig rund 200 Krebs- und Epilepsiepatienten kostenlos mit Marihuana zur Schmerz- und Symptomlinderung zu versorgen.

Hierzulande können chronisch Kranke, die Cannabis zur Schmerzlinderung brauchen, noch ins Visier von Ermittlern geraten. Denn Cannabis-Präparate sind für ausgewählte Schmerzkranke auf Basis einer Ausnahmegenehmigung des BfArM zwar in den Apotheken erhältlich, jedoch teuer.

Weil die Kosten in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen werden, entscheiden sich einige für den Eigenanbau - auch wenn sie damit die Gefahr eines Verfahrens eingehen.

Damit soll laut Mortler nun Schluss sein. Ihre Ankündigung findet in der Politik Anklang: "Wir begrüßen und unterstützen die längst überfälligen Änderungen, die nun in Aussicht gestellt wurden", teilten Hilde Mattheis, Sprecherin für Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion, und der Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert (SPD) mit.

"Hiermit wird der Weg zu einer sachorientierten und ideologiefreien Debatte ermöglicht."

Tatsächlich hatte eine repräsentative Umfrage von Infratest im Auftrag des Deutschen Hanfverbands (DHV) im Oktober 2014 gezeigt, dass dies auch die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet: 82 Prozent der 1012 Befragten gaben an, dass der Zugang zur Droge zumindest für Patienten, deren Beschwerden dadurch gelindert werden können, ermöglicht werden sollte.

Am größten war die Akzeptanz bei Grünen-Anhängern: Hier stimmten sogar 97 Prozent der Befragten zu.

Doch Lob für den Vorstoß gibt es auch aus anderen politischen Lagern. "Cannabis auf Rezept und von der Kasse bezahlt ist für bestimmte Patientengruppen sicher sinnvoll", sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

"Außerdem ist eine klare Regelung besser als wenn sich jetzt jeder im Einzelfall gerichtlich das Recht auf Anbau im eigenen Garten erstreitet."

Erst im Vorjahr hatte das Verwaltungsgericht Köln drei chronischen Schmerzpatienten erlaubt, in ihren Wohnungen Cannabis anzubauen, da entsprechende Medikamente für sie unerschwinglich seien. Kritiker warnten daraufhin vor einer "scheibchenweisen Legalisierung" der Droge.

Zwölf Millionen Schmerzpatienten

Doch einer vollständigen Legalisierung - der Slogan "Legalize it!" kursiert immerhin seit mehr als 50 Jahren- kommt die Entscheidung keinesfalls gleich.

In Deutschland gibt es der Deutschen Schmerzgesellschaft zufolge zwölf Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen - die jüngsten Zahlen für Cannabis-Ausnahmeerlaubnisse zeigen dabei, dass die geplante Gesetzesänderung nur einen Bruchteil von ihnen betrifft.

239 haben seit Anfang 2014 eine Ausnahmeerlaubnis beantragt, um Cannabis zu medizinischen Zwecken zu nutzen, teilte BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach jüngst auf eine parlamentarische Anfrage der Linken mit.

Neben Schmerzpatienten zählen zu den betroffenen Indikationen Spastik bei MS, Tourette-Syndrom, depressive Störungen sowie ADHS.

"Cannabis kann dabei nie als Medikament der ersten Wahl gelten", betont Professor Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD).

Wie beim Einsatz von Opioiden müsse eine Indikation vorliegen. "Der Einsatz kommt dann in Frage, wenn der Patient mit seiner Therapie am Ende steht und Menschen nicht mehr auf anderen Wegen geholfen werden kann."

Der BVSD befürworte die Neuregelung aber ausdrücklich: "Dadurch könnten mehr chronisch kranke Schmerzpatienten adäquat behandelt werden." So fallen in der Therapie mit Cannabis beispielsweise viele Nebenwirkungen weg, die bei der Einnahme von starken Schmerzmitteln auftreten, so der Mediziner.

Cannabis auf Rezept bedeute dabei auch, "dass betroffene Patienten nicht stigmatisiert werden, jedem unabhängig vom Geldbeutel der Zugang ermöglicht wird und die Qualität der Arznei gewährleistet ist", so Blienert und Mattheis.

CSU-Politikerin ändert Meinung zu Cannabis

Auch die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, hat ihr Nein zum Cannabis-Konsum für Schwerkranke am Dienstag revidiert.

Grundsätzlich sei sie für das Verbot der Cannabis-Einnahme - zur Behandlung von Schmerzpatienten sei dies aber doch überlegenswert, sagte Hasselfeldt in Berlin.Sie hatte sich zuvor strikt dagegen ausgesprochen.

Ob Cannabis für Schwerkranke zur Kassenleistung gemacht werden sollte, müssten zunächst aber die Fachgremien bewerten, sagte Hasselfeldt.Bisher sind die Reaktionen auf Mortlers Ankündigung damit durchweg positiv.

Auch Kathrin Vogler (Linke) und Frank Tempel (Linke), Mitglieder des Deutschen Bundestags, kritisierten im Dezember in einem gemeinsamen Positionspapier: "In Bezug auf Cannabis als Medizin werden aus ideologischen Gründen hohe, teils unüberwindbare Hürden aufgebaut.

Den Patienten werden so möglicherweise notwendige Therapieoptionen vorenthalten und die Forschung sehr erschwert."

Ein Punkt, in dem sich Linke und Grüne einig sind: "Aus rein ideologischen Motiven verweigert die Regierung seit Jahren schwer kranken Menschen die Genehmigung zum Eigenanbau von Cannabis", kritisierte Harald Terpe, Grünen-Sprecher für Drogenpolitik, bereits nach dem Kölner Urteil.

"Das geltende Betäubungsmittelrecht behindert die medizinische Versorgung, kriminalisiert schwerkranke Menschen und treibt sie auf den Schwarzmarkt. Das muss endlich ein Ende haben." (Mitarbeit Anno Fricke)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar zu Cannabis: Lebensqualität zählt

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