Leistungserbringer wollen wieder Ärzte sein

Ohne Ideale gibt es keine Ziele: Aus diesem Grund hat der Deutsche Ärztetag die Freiberuflichkeit zum Debattenthema gemacht: Ein Akt der Selbstvergewisserung -  und der Abgrenzung von der Politik.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Der Arzt als Marionette, der von fremden Kräften dirigiert wird: Im Januar 2006 haben Demonstranten in Mainz vor diesem Szenario gewarnt.

Der Arzt als Marionette, der von fremden Kräften dirigiert wird: Im Januar 2006 haben Demonstranten in Mainz vor diesem Szenario gewarnt.

© Foto: dpa

"Der Beruf des Arztes - ein freier Beruf heute und in Zukunft", war die Debatte überschrieben. Das Besondere des Arztberufs, stellte Professor Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer (BÄK), fest, sei "die Weisungsunabhängigkeit von nicht-ärztlichen Dritten in fachlichen und medizinischen Fragen". Diese Eigenverantwortung und Unabhängigkeit seien "konstitutive Elemente des Arztberufs", und zwar im Interesse der Patienten.

Trivialisierung des Berufs fängt bei der Sprache an

Für die Delegierten fängt die "Trivialisierung" des Arztberufs bereits bei der Sprache an: So votierten sie einstimmig dafür, in allen Gesetzestexten möge die Bezeichnung "Leistungserbringer" wieder ersetzt werden durch die Berufsbezeichnung "Arzt/Ärztin".

Im Hauptantrag des BÄK-Vorstandes, den die Delegierten einstimmig am Mittwochnachmittag annahmen heißt es: "Ein Arzt, der frei darüber entscheiden kann, welche Therapie individuell die notwendige ist, mag für manchen Politiker unbequem sein, für die Patienten aber ist er die Garantie für eine seinen Bedürfnissen entsprechende Behandlung." Fuchs schrieb Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eine Aussage aus dem Jahr 2003 zu, der zufolge sie gesagt haben soll, man müsse "endlich Schluss machen mit der Ideologie der Freiberuflichkeit". Der BÄK-Hauptgeschäftsführer folgerte daraus, eine Rückbesinnung auf den Arztberuf als freier Beruf "kann von der Ministerin nicht gewollt sein", weil dies "ihrem politischen Ziel Staatsmedizin widerspricht". Fuchs warf Schmidt vor, in ihrer "Ideologie" sei "nur der angestellte und für sie weisungsabhängige Arzt ein guter Arzt". Dagegen stellte der Gastredner und Soziologe Professor Christoph Hommerich klar, dass die fachliche Unabhängigkeit der Ärzte "eine zentrale Voraussetzung dafür ist, dass wir dem Gesundheitssystem vertrauen".

Bekenntnis zum freien Beruf und zur Selbstverwaltung

Fuchs sieht eine wachsende Bedrohung für Ärzte, in die Mühlsteine zwischen "Staatsmedizin mit Sozialrecht auf der einen Seite und Verdrängungswettbewerb mit kapitalgesteuerten Großunternehmen auf der anderen Seite" zu geraten. Um nicht in diese Falle zu tappen, helfe nur ein klares Bekenntnis zum Arztberuf als freiem Beruf und zur ärztlichen Selbstverwaltung durch Kammern.

Wie sehr aber jenseits abstrakter Diskussionen der Wettbewerbsgedanke der neuen Vertragswelt das Handeln von Ärztegruppen prägt, zeigte die kontroverse Debatte über einen Antrag mehrerer Delegierte. Darin wurde behauptet, durch Selektivverträge werde "die teilweise Aufgabe der Therapiefreiheit durch monetäre Anreize gefördert". Über diese Formulierung empörten sich vor allem Hausärzte, die dadurch beispielsweise Hausarztverträge diskreditiert sahen. Der entsprechende Satz wurde schließlich aus dem Antrag gestrichen -  aber nur mit knapper Mehrheit von 114 zu 94 Stimmen.

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