Wirtschaftsweise

Mehr Pflegekräfte aus dem Ausland nötig

Die demografische Entwicklung führt im Gesundheitswesen zu einem Fachkräftemangel, vor allem in der Pflege. Die Wirtschaftsweisen plädieren für eine gezielte Einwanderungspolitik.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Chinesische Pflegehelferinnen helfen bereits, den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern.

Chinesische Pflegehelferinnen helfen bereits, den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern.

© Daniel Reinhardt / dpa

BERLIN. Die Zahl der Menschen über 65 wird von derzeit 18 Millionen bis 2030 um jährlich 300.000 auf 23,5 Millionen steigen und neben einem Ausgabenanstieg der Krankenversicherung auch einen erheblichen zusätzlichen Personalbedarf im Gesundheitswesen auslösen.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung spricht in seinem jüngst vorgelegten Gutachten von einer „großen strukturellen Herausforderung“.

Die Tatsache, dass die Beschäftigung im Dienstleistungssektor Medizin und Pflege zwischen 1991 und 2017 um 90 Prozent gestiegen ist, zeige, dass es dem Gesundheitswesen bislang gut gelungen sei, Fachkräfte anzuziehen.

Aber Engpässe seien sichtbar: In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stehen in den Gesundheitsberufen mehr Stellen offen als Arbeitslose registriert sind. Acht von 24 Berufsgruppen mit bundesweiten Engpässen werden dem Gesundheitswesen zugerechnet.

Gehälter steigen an

Wachsende Knappheit an Arbeitskräften habe schon jetzt zu einem überdurchschnittlichen Anstieg der Verdienste im Gesundheitswesen geführt.

Dennoch ist der Sachverständigenrat der Auffassung, dass die Lohndifferenz zwischen Kranken- und Altenpflege, die je nach Grad der Qualifikation und Spezialisierung zwischen 558 und 820 Euro monatlich liegt, ein wichtiger Grund für Arbeitskräftemangel ist.

Keinen Grund für „Alarmismus“ können die Wirtschaftsweisen bei der ärztlichen Versorgung entdecken, auch nicht auf dem Land. Trotz markanter regionaler Unterschiede erscheine die Sorge über einen Ärztemangel „derzeit überzogen“.

Notwendig seien aber eine Umstellung der Bedarfsplanung, die wachsende Teilzeit-Anteile berücksichtige, Vergütungszuschläge, die Schaffung eines familienfreundlichen Umfelds sowie die Telemedizin.

Dennoch: Ohne jegliches Gegensteuern würden nach einem im Auftrag des Rats entwickelten Simulationsmodell dem Gesundheitswesen im Jahr 2030 rund 1,3 Millionen Fachkräfte fehlen. Die Lücke könnte geschlossen oder verkleinert werden durch folgende Optionen:

»Medizinisch-technischer Fortschritt: Er könnte künftig stärker durch arbeitssparende Prozessinnovationen als durch nachfragesteigernde Produktinnovationen geprägt sein. Finanzielle Restriktionen könnten Auslöser einer solchen Entwicklung sein – auch unterstützt von der Digitalisierung. Das könnte den Fachkräftebedarf um rund 400.000 Personen mindern.

»Generelle Erhöhung der Erwerbstätigenquote: Gemeint ist die Mobilisierung von Arbeitslosen und Nicht-Erwerbstätigen, was in den Jahren zwischen 1993 und 2017 durchaus gelungen ist. Würde eine jährlich steigende Erwerbstätigkeitsquote von 0,25 Prozent realisiert, könnten für das Gesundheitswesen 184.000 Fachkräfte zusätzlich mobilisiert werden.

»Weniger Teilzeit, mehr Vollzeit: Der bisherige Trend geht zur Teilzeit und führt dazu, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftigten von 70,2 Prozent einer Vollzeitkraft im Jahr 2015 auf 66,5 Prozent 2020 sinkt. Könnte dieser Trend ab 2020 umgekehrt werden, entspräche dies einem Gewinn von 230.000 Vollzeitäquivalenten.

»Fachkräfte aus dem Ausland: Bereits zwischen 2013 und 2017 hat sich der Anteil ausländischer Pflegekräfte von sieben auf elf Prozent erhöht. Die Zuwanderung müsste aber nach Berechnungen im Auftrag des Rates noch deutlich gesteigert werden, um die sich bis 2030 entwickelnde Bedarfslücke abzudecken. Das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz für Bürger aus Nicht-EU-Staaten sei dazu ein erster Schritt.

»Attraktivität der Gesundheitsberufe: Neben einer besseren und wettbewerbsfähigen Entlohnung sieht der Rat auch nicht-monetäre Aspekte. Genannt werden Entlastung von Bürokratie, Flexibilität in der Berufsausbildung (generalistische Ausbildung), Wertschätzung und Kompetenzerweiterung sowie eine bessere betriebliche Gesundheitsförderung zum Abbau des hohen Krankenstandes in der Pflege.

Zweifel hat der Sachverständigenrat allerdings daran, ob Personaluntergrenzen, wie sie ab 2019 geplant sind, das Gesundheitspersonal entlasten werden. Eher würden die Personalplanung und auch Krankenhausleistungen wie die intensivmedizinische Versorgung erschwert.

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