Montgomery gegen Lockerung der Sterbehilfe

DÜSSELDORF (dpa). Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, hat nach dem Freitod von Ex-Fußballer Timo Konietzka eine Lockerung der Sterbehilfe in Deutschland abgelehnt.

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"Die Delegierten des Deutschen Ärztetages haben sich zu mehr als zwei Drittel sowohl gegen aktive Sterbehilfe, also das Spritzen von Gift, als auch gegen den assistierten Suizid, also das Überreichen von Giftcocktails, ausgesprochen", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch).

"Stehen als Sterbehelfer nicht zur Verfügung"

Er fügte hinzu: "Unsere Position ist eindeutig: Als Sterbehelfer stehen wir nicht zur Verfügung."

Die Erfahrung zeige, "dass gerade dann, wenn man einem schwer kranken Patienten durch gute Palliativmedizin ein Angebot zum Leben und zu einem würdigen Tod macht, er das dem schnellen Selbstmord immer vorzieht".

Der erste Torschütze der Fußball-Bundesliga, Timo Konietzka, war am Montag im Alter von 73 Jahren in der Schweiz freiwillig aus dem Leben geschieden. Konietzka litt an Gallenkrebs und nahm die in der Schweiz erlaubte Sterbehilfe in Anspruch.

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Kommentare
Lutz Barth 14.03.201218:14 Uhr

Mehrheitsbeschluss ersetzt keine individuelle Gewissensentscheidung!

Nun – im Nachgang zum Kommentar eines Kritikers sei es mir gestattet, darauf hinzuweisen, dass ich keinen gesteigerten Drang verspüre, gegen den Präsidenten der BÄK „zu Felde zu ziehen“, wenngleich ich natürlich der Redlichkeit willen nicht umhinkomme, darauf zu verweisen, dass gerade der jetzige Präsident der BÄK sich um die Durchsetzung des Verbots der ärztlichen Suizidassistenz in besonderer Weise „verdient“ gemacht hat (so wie im Übrigen auch andere hochrangige Ärztefunktionäre).

Der Mehrheitsbeschluss des Deutschen Ärztestages ist m.E. in Anbetracht von Art. 4 GG (und freilich dem Parlamentsvorbehalt!) reine Makulatur und da muss es die Delegierten schon nachdenklich stimmen, wenn einige Landesärztekammer ausscheren und den Regelungsvorschlag nicht übernehmen!

Ungeachtet dessen sei daran erinnert, dass der ehemalige Präsident der BÄK keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass gerade den unterschiedlichen Werthaltungen innerhalb der Ärzteschaft Rechnung getragen werden sollte. Dies war durchaus konsequent und zumindest in den aktuellen Grundsätzen der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung spiegelt sich dieser Ansatz Hoppes wider. Hier befand sich die BÄK mit seinem Regelungsvorschlag auf dem richtigen Weg, während demgegenüber im Nachgang zu den Erläuterungen Hoppes diese umgehend in „Abrede gestellt worden sind“. Die Personen, die für einen derart restriktiven Kurs stehen, dürften hinreichend bekannt sein und hierüber kann auch der „Mehrheitsbeschluss“ nicht hinwegtäuschen.

Eine kollektiv gewünschte und beschlossene „Berufsethik“ ersetzt nicht die individuelle Gewissensentscheidung, mal ganz davon abgesehen, dass hier die BÄK etwas zu regeln beabsichtigt, wozu ihr keine Kompetenz zukommt! Ein ethisches Zwangsdiktat wird der Ärzteschaft nicht gerecht, auch nicht ein solches mit fragwürdiger demokratischer Legitimation.

Die Landesärztekammern haben dies erkannt und versagen somit dem „Mehrheitsbeschluss“ ihre Gefolgschaft.

Dies ist nachhaltig zu begrüßen und der parlamentarische Gesetzgeber wird bei einer Regelung darauf zu achten haben, dass nicht über Gebühr in die ärztliche Gewissensfreiheit – analog der Bestimmung zum Schwangerschaftsabbruch im Berufsrecht – eingegriffen wird.

Dr. Jürgen Schmidt 14.03.201213:17 Uhr

Wer scharf schießt, sollte vorher zielen, oder es lassen.

Leser Lutz Barth wird manche Streitgenossen finden, wenn gegen den BÄK-Präsidenten Montgomery zu Felde gezogen wird.
Nur wenige werden sich jedoch seinen Vorwürfen eines neopaternalistischen Kurses der BÄK und eines ethischen Zwangsdiktates und schon gar nicht den personalisierten Bezichtigungen anschließen wollen, denn der thematisierte Sachverhalt betrifft einen mit großer Mehrheit getroffenen Beschluss des Deutschen Ärztetages sowohl gegen aktive Sterbehilfe, also das Spritzen von Gift, als auch gegen den assistierten Suizid, also das Überreichen von Giftcocktails, wie Montgomery ausdrücklich betont hat. Montgomery vertritt in diser Frage also nicht die BÄK, in der das Thema durchaus umstritten war, sondern einen klaren Beschluss des Deutschen Ärztetages.

Mit der Forderung nach einer „ individuellen Gewissensentscheidung der Ärztinnen und Ärzte ……..darüber zu befinden, ob sie als „Sterbebegleiter resp. –Helfer“ tätig werden wollen, wächst bei Leser Barth zudem zusammen, was nicht zusammen gehört. Wenn man diese Fragen trotz einer eindeutigen Entscheidung des Ärztetages weiter diskutieren möchte, bedarf es klarer Unterscheidungen der Begriffe.

Wenn Barth so verstanden werden will, den Gesetzgeber aufzufordern, die Gewissensentscheidung der Ärzte zur Sterbehilfe - gegen das Votum des Ärztetages - frei zu geben, bedarf es weiterhin einer sehr genauen Grenzziehung, u.a. zur Euthanasie. Dass damit eine historische Belastung der Diskussion gegeben ist, muss an dieser Stelle nicht weiter betont werden. Weil die Diskussion in anderen europäischen Ländern bereits weiter ist, sollte aber auch Deutschland mit Vorsicht und Differenzierungsvermögen jene Fragen angehen, die sich in wenigen Jahren mit zunehmender Überalterung der Bevölkerung verschärft stellen werden.

Lutz Barth 14.03.201211:01 Uhr

BÄK-Präsident sollte Toleranz üben!

Mit Verlaub: An dem Präsidenten der BÄK scheint die Debatte der letzten Monate vorbeigegangen zu sein. Ihm müsste auffallen, dass sich vermehrt ein ethischer Ungehorsam gegen den strikten neopaternalistischen Kurs der BÄK regt.

Einige Landesärztekammern haben das strikte Verbot der ärztlichen Suizidassistenz nicht (!) übernommen und es bleibt zu hoffen, dass die anderen LÄK diesem Beispiel folgen werden.

Die BÄK wäre gut beraten, sich von ihrem ethischen Zwangsdiktat zu distanzieren und sich an der Regelung etwa in Bayern zu orientieren. Es geht im Diskurs nicht darum, was der Präsident der BÄK als ethisch vertretbar und demzufolge für die Ärzteschaft verpflichtend hält, sondern was letztlich durch den ethischen Standard unseres Grundgesetzes verbürgt ist. Neben dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten zählt hierzu ohne Frage das Grundrecht der Gewissensfreiheit und lediglich in diesem Sinne bleibt es dem Präsidenten der BÄK vorbehalten, uns an seiner individuellen Gewissensentscheidung teilhaben zu lassen.

Zu fragen ist indes, warum er dieses Recht nicht seine Kolleginnen und Kollegen konzediert?

Der Präsident der BÄK sollte nicht dazu beitragen, dass über Gebühr zentrale Grundrechte versenkt werden. Eine solche Kompetenz kommt weder ihm, noch der BÄK und letztlich auch nicht den öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften zu: denn auch Letztere sind an Grundrechte gebunden!

Mehr als ein Drittel seiner Kolleginnen und Kollegen wünschen sich eine Liberalisierung! In diesem Sinne bleibt es der individuellen Gewissensentscheidung der Ärztinnen und Ärzte überantwortet, darüber zu befinden, ob sie als „Sterbebegleiter resp. –Helfer“ zur Verfügung stehen. Der Präsident der BÄK findet sich zunehmend in einem eigentlich unverzeihlichen Irrtum: Die Ärzteschaft möchte jenseits eines ethischen Zwangsdiktats ihre ureigene Gewissensentscheidung treffen, so, wie es einige berufsrechtliche Normen auch vorsehen und da muss sich Herr Montgomery schon die Frage gefallen lassen, ob er es mit der Wertepluralität und der Toleranz ernst meint?

Wer die „Ethik nicht fühlen will, muss das Recht spüren“ und in diesem Sinne sollte der Gesetzgeber die Chance nutzen, für die Durchsetzung des ethischen Grundstandards unseres gemeinsamen Grundgesetzes auch bei der BÄK Sorge zu tragen, auch wenn deren Musterberufsordnung nicht verbindlich ist. Einige Landesärztekammern haben bei der Novellierung ihres Berufsrechts das rechte Augenmaß walten lassen und von daher sollte es der BÄK möglich sein, entsprechende Kurskorrekturen anzubringen.

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