Großbritannien

NHS-Reform geplant – Ärzte in Sorge

In Großbritannien fürchten Ärzteverbände und politische Beobachter, dass es zu einer Zentralisierung des Gesundheitsdienstes NHS kommt. Premier Boris Johnson plant eine „radikale Neuorganisation“ – die Corona-Krise scheint ihm als Ablenkungsmanöver zu dienen.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Der britische Premierminister Boris Johnson bei einem Besuch des Hauptquartiers des Londoner Ambulance Service NHS Trust. Johnson plant offensichtlich drastische Reformen für den NHS.

Der britische Premierminister Boris Johnson bei einem Besuch des Hauptquartiers des Londoner Ambulance Service NHS Trust. Johnson plant offensichtlich drastische Reformen für den NHS.

© Ben Stansall / empics / picture alliance

London. Der britische Premierminister plant „eine radikale Neuorganisation“ des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes. Boris Johnson will dabei offenbar das Durcheinander durch die COVID-19-Krise und den Brexit als Ablenkung nutzen, um die bei Ärzten und anderen Gesundheitsberufen kritisch gesehenen Reformen durchzusetzen.

Auslöser für den „radikalen Schnitt“ und die „kleine Revolution“, wie Gesundheitsminister Matt Hancock es kürzlich nannte, ist der Frust innerhalb des Londoner Gesundheitsministeriums vor allem gegenüber ranghohen Gesundheitsbeamten im NHS, allen voran Simon Stevens, dem ranghöchsten Manager des NHS in England.

Gesundheitsminister und Gesundheitsbeamte im Zwist

Der Gesundheitsminister ist in jüngster Zeit mehrfach mit dem als „Querulant“ geltenden Stevens aneinander geraten. Es ging um den NHS-Primärarztbereich, den Gesundheitshaushalt, Versorgungsengpässe, Personalien und anderes.

Insider im Regierungsviertel Whitehall berichten, Hancock habe den Premierminister dazu gebracht, „den NHS noch stärker zu zentralisieren“.

Geplant ist demnach, dem Gesundheitsministerium in London „eine Fülle neuer Befugnisse“ zu verschaffen. Das sorgt nicht zuletzt die britische Ärzteschaft. „Politiker mischen sich schon heute zu oft in den Klinikalltag ein.“ Das sagte beispielsweise ein Sprecher des britischen Ärztebundes (British Medical Association, BMA).

Dabei interpretieren nicht nur gesundheitspolitische Beobachter im Königreich den Zeitpunkt der massiven Reformen so, dass Johnson hier geschickt die Corona-Pandemie und den für Ende 2020 anstehenden Brexit sowie die damit einhergehenden Wirrungen dafür nutze, um die Reformen durchs Unterhaus zu bekommen.

Ärzte befürchten massive Einschnitte

Der NHS war von Politikern zuletzt 2012 dramatisch verändert worden. Damals ging es aber genau um das Gegenteil der jetzigen Reformen. 2012 sollten die Regierung und insbesondere das Londoner Gesundheitsministerium weniger Befugnisse über den NHS erhalten. Das fand auch die Zustimmung der britischen Ärzteschaft.

Jetzt befürchten britische Ärzte, die Regierung werde ärztliche Zuständigkeiten deutlich beschneiden, um zum Beispiel dafür zu sorgen, heikle Statistiken zu Themen wie Wartelisten künstlich zu verschönern. „Der NHS wird erneut zum Spielball kleinkarierter und kurzfristig gedachter tagespolitischer Manipulationen“, so die BMA in London.

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Weltmalaria-Tag

Invasive Malariamücke bedroht afrikanische Städte

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen