Niedergelassene werfen privater Uniklinik "Drehtürmedizin" vor

MARBURG(coo). Gerd Krämer, Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium ist zufrieden mit der Privatisierung der fusionierten Universitätskliniken Gießen und Marburg: "Ich kann nur jeder Landesregierung empfehlen, eine Privatisierung nicht aus ideologischen Gründen auszuschließen."

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Welche Chancen und Risiken dieser Schritt birgt, darum ging es bei einer Diskussion des "Deutschlandfunks", die live aus dem Marburger Uni-Klinikum gesendet wurde.

An den mittelhessischen Universitätskrankenhäusern wird nämlich erprobt, was für andere Standorte erst Zukunftsmusik ist. Vor drei Jahren wurden sie für 112 Millionen Euro an die Rhön-Klinikum AG verkauft. Damit betrat das Land Hessen Neuland. Nie zuvor wurde in Deutschland eine Universitätsklinik privatisiert.

Unstrittig sind die massiven Investitionen, mit denen Rhön vor allem den Standort Gießen vor dem möglichen Aus bewahrt. Dort hatte das Land einen Investitionsstau von 200 Millionen Euro hinterlassen. Die Rhön AG baute deshalb ein komplett neues Klinikum. In Marburg entstehen das Partikeltherapiezentrum sowie der dritte Bauabschnitt. Die Zahl der Mitarbeiter sank um mehr als 400 auf gut 7000 Beschäftigte. Beide Standorte fuhren 2008 einen Gewinn von 2,2 Millionen Euro ein.

Frühstück gibt es erst um 11 Uhr, berichten Patienten.

Doch bis heute reißt die Kritik am neuen Krankenhausbetreiber nicht ab: "Die Beschäftigten gehen in den meisten Bereichen auf dem Zahnfleisch", berichtet Gewerkschaftssekretärin Marita Kruckewitt. Die Arbeitsverdichtung habe massiv zugenommen. Unter dem Namen "NotRuf 113" haben sich niedergelassene Ärzte aus der Region zusammengeschlossen, die Drehtürmedizin und Gewinnmaximierung im Uni-Klinikum kritisieren. "Wir hören mehr Klagen", sagt Sprecher Dr. Hendrik Eckert. Nach seinem Eindruck hat auch die Zahl der Fehler zugenommen. Patienten erzählen am Hörertelefon, dass sie ihr Frühstück erst um 11 Uhr bekommen.

Dagegen sagt Professor Werner Seeger, Ärztlicher Geschäftsführer des Uni-Klinikums Gießen und Marburg, dass die Krankenhäuser bundesweit unter einer erheblichen Arbeitsverdichtung leiden. Rhön habe jedoch vor allem in den patientenfernen Bereichen wie Organisation, Service und Wäscherei Personal eingespart. Die Zahl der Ärzte sei gestiegen. Dass bei mehr als 380 000 Patienten pro Jahr Fehler passierten, sei klar, sagt Seeger.

"Der entscheidende Punkt für uns ist, dass die Patienten zufrieden sind", betont Rhön-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Pföhler. Er geht davon aus, dass noch weitere Uni-Kliniken privatisiert werden. Diskutiert wird dies vor allem in den Universitäts-Krankenhäusern, berichtet der Vorsitzende des Verbandes der Universitätsklinika, Professor Rüdiger Siewert. Etwa ein Drittel der 32 Uni-Krankenhäuser schwächele.

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