Pflege-Bahr unter Beschuss: "Beschämender Unsinn"

Der Zuschuss zur Pflegezusatzversicherung findet jenseits der Koalition nur wenig Freunde: Die einen bezeichnen ihn als Subventionshilfe für die Versicherungen, andere nennen ihn schlicht beschämend.

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Bahr in der Pflege-WG: Bald gibt es auch den Zuschuss für die private Vorsorge.

Bahr in der Pflege-WG: Bald gibt es auch den Zuschuss für die private Vorsorge.

© Christian Charisius / dpa

BERLIN (chb/sun/af). Trotz anhaltender Kritik aus der Opposition hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) seine geplante Pflege-Vorsorgeförderung von 60 Euro pro Jahr verteidigt.

Die einkommensunabhängige Förderung von fünf Euro sei "ein starkes Signal" an die Menschen – schließlich sei sie einfach, unbürokratisch und erreiche möglichst viele Menschen, sagte Bahr am Dienstag in Berlin.

Zudem sei damit der Einstieg in eine kapitalgedeckte Säule geschafft und die Finanzierung der Pflege werde auf eine breitere Basis gestellt. Der Mindestbeitrag der Versicherten betrage 120 Euro pro Jahr.

In der Pflegestufe 3 sollen dann mindestens 600 Euro pro Monat ausgezahlt werden. Die Untergrenze für die Vertragslaufzeit seien fünf Jahre.

Die Kritik der Opposition, es handle sich um ein "Pflege-Placebo" wies Bahr zurück: "Auch mit kleinen Förderbeiträgen kann man viele Leute erreichen."

Heftige Kritik kam von den gesetzlichen Krankenkassen und den Oppositionsparteien. "Die fünf Euro staatlichen Zuschuss sollte der Staat besser in die gesetzliche Pflegeversicherung stecken und damit eine Demografiereserve aufbauen, anstatt damit die privaten Versicherungsunternehmen zu subventionieren", sagte der Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbandes, Thomas Ballast.

Mit der Förderung der privaten Pflegevorsorge werde das Finanzierungsproblem in der Pflege nicht gelöst.

Scharfenberg: In Deutschland leben 80 Millionen Menschen

Als beschämend bezeichnete die pflege- und altenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, die pflegepolitischen Vorschläge der Regierungskoalition.

Der Pflege-Riester sei ein einziger Unsinn, der nichts zur Lösung der finanziellen Probleme der Pflegeversicherung beitrage, so Scharfenberg. Die Bundesregierung kalkuliere mit Haushaltskosten von 100 Millionen Euro jährlich.

Das reiche für 1,5 Millionen Versicherungsverträge. "In Deutschland leben aber 80 Millionen Menschen, die alle einer guten und nachhaltigen Pflegeabsicherung bedürfen", so Scharfenberg.

Schließe nur jeder zweite eine solche Zusatzversicherung ab, würde der Bundeshaushalt mit jährlich über 2,5 Milliarden Euro belastet.

Die SPD sieht in dem Vorschlag ein Geschenk an die Versicherungswirtschaft. Unklar bleibe zudem, "ob auch die Pflegezusatzversicherungen der Privatversicherten gefördert werden und ob die Prämien so ausgestaltet werden müssen, dass ältere oder kranke Menschen überhaupt eine bezahlbare Zusatzversicherung abschließen können", kritisiert die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Elke Ferner.

Unabhängige Verbraucherschützer haben angekündigt, die mit fünf Euro staatlich geförderten Pflegeversicherungsprodukte genau unter die Lupe zu nehmen.

"Wir gucken uns die gelegten Eier an", sagte Hermann-Josef Tenhagen von der Stiftung Warentest der "Ärzte Zeitung". Derzeit koste eine Pflege-Tagegeldversicherung für einen 55-Jährigen Mann rund 50 Euro im Monat, für eine gleichaltrige Frau etwa 70 Euro.

Die Pflicht, ab 2013 Unisex-Produkte anzubieten und der geplante Kontrahierungszwang für die Versicherer werde die Policen tendenziell verteuern, sagte der Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest".

Erst nach einer Untersuchung der geförderten Pflege-Vorsorgeprodukte lasse sich sagen, ob und wem man diese Produkte empfehlen könne.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 05.06.201220:36 Uhr

Darüber lassen wir besser ''Grass'' wachsen

Durch Deutschland geht ein Beben -
Schluss mit "sozialverträglichem Frühableben"!
Minister "Daniel" kommt als Lichtgestalt daher,
die Pflegezusatzversicherung präsentiert er.
Mehr als fünf Euro für private Pflege ist nicht drin.
Wo sollen sonst Versicherungskonzerne hin?
Mit dem ganzen Geld für Provision,
Verwaltungskosten und Gewinne schon.

Das bisschen, was dann übrig bleibt,
wird solidarisch nur geteilt.
Wer kürzer lebt, ist länger tot,
wer länger lebt, hat selber Not.
Mit halber Windel, kaum geschwindelt,
wird manche Synergie gebündelt.

Bei ''Hart aber fair'' in der Schlussrunde
sagt Daniel Bahr zu später Stunde:
Endlich bin ich in aller Munde!
Und wer es überleben tut,
der wird bei Beckmann interviewt.

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