Kommentar zur Arbeitszeit

Pflege: Ehrliche Flexibilität wäre eine Option

Immer mehr Frauen in der Pflege sehen in der Zeitarbeit eine Chance für mehr Work-Life-Balance. Gesund ist das für die Pflege nicht.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

Unübliche Arbeitszeiten – was zunächst als Begrifflichkeit recht unscheinbar daherkommt, sorgt zumindest in der Pflege für politischen Sprengstoff. Wie die am Freitag für das Jahr 2018 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen zeigen, arbeiteten mehr als die Hälfte der rund 1,8 Millionen Kranken- und Altenpfleger in Deutschland am Wochenende – und damit zu unüblichen Zeiten. Knapp 32 Prozent arbeiten im Schichtdienst.

Und immer wieder rumort es an der Pflegebasis, wenn Mitarbeiter „flexibel“ sein und ad hoc eine Nacht-, Samstags- oder Sonntagsschicht übernehmen sollen oder der gewünschte Urlaub wegen Personalknappheit nach hinten verlegt werden soll.

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Immer mehr Pflegekräfte haben für sich eine Exit-Option gefunden, die sie in ihrem Beruf, aber nicht bei ihrem „flexiblen“ Arbeitgeber hält: Zeitarbeit. Die Branche, die mit ihren Leihkräften den Alten- und Pflegeheimen sowie den Kliniken eine große finanzielle Last bedeutet, erfreut sich immer mehr Beliebtheit. Sie kann nämlich das gewähren, wozu „flexible“ Arbeitgeber ihrer Branche in der Regel nicht in der Lage sind: Work-Life-Balance.

Als Leiharbeiter können sie sich bestimmte Tage und Schichten verbindlich zusagen lassen und müssen weniger Beeinträchtigungen für das Familienleben und den häuslichen Versorgungsauftrag befürchten.

Letzteres ist auch in einer modernen Gesellschaft kein zu vernachlässigender Punkt, beläuft sich der Frauenanteil in der Altenpflege doch auf 84 Prozent. Und nicht wenige Frauen wollen einem klassischen Lebensentwurf folgen – mit Ehemann und Kind(ern).

Diese Entwicklung beschäftigt die politischen Akteure landauf und landab. Berlin hat gar eine Initiative in den Bundesrat eingebracht mit dem Ziel, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu ändern. Hier sind manche Stationen laut Krankenhausgesellschaft bis zu 30 Prozent mit Leihkräften besetzt. Das führe bei den Pflegepersonal- und Sachkosten in den Einrichtungen zu einem Anstieg um 200 Prozent, heißt es beim „Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitseinrichtungen“.

Alle politischen Bemühungen, den Arbeitsalltag für Pflegekräfte attraktiver zu machen – finanziell wie konditionell – sind keine Erfolgsgarantie dafür, dass vor allem die abgewanderten Pflegerinnen der Zeitarbeit den Rücken kehren und sie wieder in den Schoß des ehemaligen Arbeitgebers fallen.

Um die Lunte bei den unüblichen Arbeitszeiten nicht zünden zu lassen, sind nicht nur die Politiker und Gewerkschaften gefragt, sondern auch „flexible“ Arbeitgeber, die die Flexibilität im Sinne ihrer Belegschaft verstehen – und somit auch ehrliches Verständnis für den Wunsch nach mehr Work-Life-Balance gerade für die Pflegerinnen zeigen.

Schreiben Sie dem Autor: matthias.wallenfels@springer.com

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