Präimplantationsdiagnostik

PID bleibt eine Blackbox

Für Außenstehende ist die Praxis der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland wenig transparent: Die Entscheidungen der Prüfkommissionen bleiben vertraulich. Sicher sind nur die hohen Kosten für Paare.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:
Genetische Untersuchung im Labor: Vieles rund um die Präimplantationsdiagnostik liegt im Unklaren.

Genetische Untersuchung im Labor: Vieles rund um die Präimplantationsdiagnostik liegt im Unklaren.

© MICHAEL DALDER

Berlin. Auch fünf Jahre, nachdem in Deutschland die Voraussetzungen für eine legale Präimplantationsdiagnostik (PID) geschaffen wurden, ist die Genehmigungspraxis weitgehend eine Blackbox.

Daten gibt es sporadisch nur zur Zahl der interessierten Paare und der Anträge bei Ethikkommissionen.

Dieses Fazit ziehen die Studienautoren des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB), die im Auftrag des Forschungsausschusses im Bundestag den aktuellen Stand und Entwicklungen bei der PID aufgearbeitet haben.

Studienlage ist miserabel

Zur Praxis der PID „liegen bisher nur wenige Erkenntnisse vor“, heißt es in dem Bericht. Über Erfahrungsberichte einzelner PID-Zentren gebe es „kaum Studien aus medizinischer Sicht, aus der Sicht Betroffener oder gesellschaftlicher Interessengruppen“.

Die Lücken sind gravierend: „Die Qualität und die Bedeutung der Beratung im Rahmen der PID sind kaum untersucht“, stellen die TAB-Autoren fest. Dabei ist die Beratung von hoher Bedeutung für die Entscheidungen der betroffenen Paare vor Beginn einer PID-Behandlung und in deren Verlauf.

Auch die Informationslage für Paare, die eine solche Untersuchung in Erwägung ziehen, gilt als desaströs. Überblicksinformationen über die Zentren und den Verfahrensgang seien rar, sind veraltet oder werblicher Natur. Fazit der Autoren: Auf welche Informationen interessierte Paare stoßen, hängt von Suchstrategien und Vorkenntnissen ab.

Diese soziale Schieflage setzt sich fort, wenn Paare sich zu einer PID entschließen und ihr Antrag von einer Ethikkommission genehmigt wird: Zu den Kosten für Biopsie, genetischer Untersuchung und für das IVF-Verfahren kommen die Gebühren für die PID-Kommission dazu – das können bis zu 3000 Euro sein.

Spahn krachend gescheitert

Die Gesamtkosten werden in dem TAB-Bericht auf 10 000 bis 20 000 Euro beziffert. Die Autoren fragen, ob es sozial gerecht ist, „eine Begrenzung der Zahl der PID-Behandlungen über den Weg hoher Kosten“ vorzunehmen.

Doch gegenwärtig gibt es in der großen Koalition keine Mehrheit, dieses Thema aufzugreifen. Das musste Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erfahren, als er Anfang dieses Jahres den Koalitionsfraktionen überraschend einen Änderungsantrag zum Terminservicegesetz (TSVG) unterschieben wollte.

Dieser sah vor, die Kassen sollten die Leistungen im Kontext einer PID bezahlen, wenn ein von einer Ethikkommission genehmigter Antrag vorliegt.

Die Gesundheitspolitiker der Unionsfraktion reagierten ungehalten auf Spahns Initiative. Man wolle dieses Thema breit diskutieren – und nicht per Änderungsantrag entscheiden. Spahns Vorschlag wurde eingemottet.

Etwa 350 Anträge pro Jahr

Offenbar wird es von Unionsseite gegenwärtig nicht als opportun angesehen, die finanziellen Hürden für Paare zu senken – auch aus der Befürchtung, dies könnte mehr PID nach sich ziehen.

Doch deren genaue Zahl ist gar nicht bekannt. Auf Basis von Presseberichten und Veröffentlichungen einzelner Ethikkommissionen geht der TAB-Bericht von 350 Anträgen im Vorjahr aus.

Die Genehmigungsquote soll bei etwa 90 Prozent liegen. Im Vergleich dazu erhalten die Ethikkommissionen zwei- bis achtmal so viele Anfragen. Offenbar wirken psychische, physische und finanzielle Belastungen abschreckend.

PID eigentlich verboten

Eine PID ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Sie ist dann nicht rechtswidrig, wenn ein „hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit“ oder eine schwerwiegende Schädigung des Embryos besteht, die „mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird“, heißt es im Embryonenschutzgesetz.

Der Gesetzgeber hat 2011 darauf verzichtet, eine Krankheitsliste zu formulieren, die eine PID rechtfertigen kann. Doch bislang kommen Ethikkommissionen bei gleichen Indikationen zu unterschiedlichen Bewertungen, so die TAB-Autoren.

Da die Einzelfälle nicht öffentlich werden, sind die Gründe für die variierende Bewertungspraxis unklar. Über kurz oder lang werde sich eine „informelle Liste“ herausbilden, die einen Überblick über die Spruchpraxis der Kommissionen erlaubt, heißt es im Bericht.

Ob eine solche Liste „eher in Richtung Liberalisierung oder Begrenzung“ führt, ist unklar – wie so vieles bei der PID.

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