TTIP und die GKV

"Regierung muss rote Linie ziehen"

Die Regierung sieht die Krankenversicherung von Freihandelsabkommen unberührt. Den Grünen sind die Aussagen zu schwammig.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Die geplanten Freihandelsabkommen CETA (mit Kanada) und TTIP (mit den USA) sollen die gesetzliche Sozialversicherung in Deutschland nicht berühren.

Wie das im Fall von TTIP konkret sichergestellt werden soll, kann die Bundesregierung "noch nicht abschließend beantworten", heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag.

Die Regierung "strebt" in TTIP "die gleiche Absicherung für die GKV an wie im CETA-Abkommen", erklärt Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Für CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) liegt seit September 2014 ein Vertragsentwurf vor, das TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership)wird seit Juli 2013 verhandelt.

Der Entwurf für das CETA-Abkommen nimmt nach Ansicht der Regierung Leistungen der GKV von der Verpflichtung zur Marktöffnung aus.

Auch Fragen der Erstattung oder der Leistungspflicht einer Krankenkasse für eine Heilbehandlung seien im Sozialgesetzbuch V geregelt und würden "durch CETA oder andere Handelsabkommen nicht beeinflusst".

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, kritisiert die "reinen Absichtserklärungen" der Regierung und fordert mehr Transparenz : "Sie muss rote Linien ziehen, um sicherzustellen, dass das Gesundheitswesen von den Ausnahmeregelungen eindeutig erfasst wird."

Unklar sei beispielsweise, ob die Ausnahmen auch für Leistungen der GKV gelten, die nicht zum Kernbestand einer Sozialversicherung gehören, wie etwa der Vermittlung von Zusatzversicherungen in Kooperation mit privaten Krankenversicherungen.

Grüne: Regierung sehr spät aufgewacht

Genau dies ist die Sorge von Kritikern: Sie fürchten, dass überall dort, wo auch private Anbieter in der Daseinsvorsorge tätig sind, die Regeln von TTIP doch gelten.

Die Regierung entgegnet dem, im CETA-Abkommen sei eindeutig klar gestellt worden, dass die Spielräume zur Organisation der Sozialversicherungssysteme auch dort unberührt bleiben, "wo die GKV mit der PKV in Wettbewerb steht".

Die Grünen aber zeigen sich skeptisch, schließlich sei die Regierung schon beim Abkommen mit Kanada "sehr spät" aufgewacht.

Dies gilt etwa für die Klarstellung, dass der Gestaltungsspielraum der nationalen Gesetzgeber im Gesundheitswesen unangetastet bleiben soll. Auch hier nur eine Absichtserklärung: Die Regierung "setzt sich dafür ein", dass dazu in das CETA-Abkommen eine "verbindliche Klarstellung" aufgenommen wird.

Diese Sorge hat im Mai auch die Vorsitzenden und Präsidenten der Heilberufeverbände umgetrieben. In einer gemeinsamen Erklärung von Bundesärztekammer, Zahnärztekammer, dem Apothekerverband ABDA und der KBV forderten sie, die EU-Mitgliedsstaaten müssten "in Fragen der Gesundheitspolitik und der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ihre Souveränität behalten". Sie zeigten sich besorgt, die Freihandelsabkommen könnten Gesundheitsdienstleistungen "erfassen, deregulieren und einer Normung unterziehen".

Auch die Krankenkassen sind mit möglichen Folgewirkungen der Freihandelsabkommen beschäftigt. Im April vergangenen Jahres warnte Dr. Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbands, bei Arzneimitteln müssten Fragen wie der Marktzugang und die Erstattung ausgeklammert bleiben.

Das deutsche Gesundheitssystem müsse weiter in der Lage bleiben, Instrumente der Kostenkontrolle wie etwa Rabattverträge anzuwenden, schrieb Pfeiffer dem Bundesgesundheitsministerium.

Aufgeschlossen gegenüber Konformitätsbewertungen

Tatsächlich streben die USA "auch Regelungen zur Transparenz bei Preisfestsetzung und Erstattung von Arzneimitteln an", heißt es in der Regierungsantwort.

Die EU-Kommission hat dies jedoch abgelehnt - "nach derzeitigem Verhandlungsstand". In anderen Fragen kennt die Regierung noch nicht einmal die Verhandlungsposition der EU-Kommission.

Etwa bei der Frage, ob eine Angleichung der Patentregelungen für Arzneimittel oder Biologicals angestrebt werde. "Die Bundesregierung verfolgt dieses Ziel nicht", heißt es.

Klar positioniert sich die Regierung bei der gegenseitigen Anerkennung von sogenannten Konformitätsbewertungen bei Medizinprodukten. Einem solchen "Mutual Recognition Agreement" stehe man "aufgeschlossen gegenüber", schreibt Staatssekretär Machnig.

Auch hier haben die Grünen Bedenken, dass es zu einem "Wettbewerb" von Stellen zur Konformitätsbewertung diesseits und jenseits des Atlantiks kommen könnte. "Dies könnte zu einem Shopping der Hersteller (von Medizinprodukten, d. Red.) für das optimale Prüfergebnis führen", warnt Klein-Schmeink.

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