Regierung will Pharmaindustrie an den Katzentisch setzen
Mehr Werbung, weniger Beteiligung - so lassen sich aus Sicht der pharmazeutischen Hersteller die jüngsten Regierungsvorschläge zur Änderung des Arzneimittelrechts zusammenfassen.
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Erweiterte Rechte für Pharma-Publikumswerbung könnten den OTC-Markt beflügeln.
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NEU-ISENBURG. Mit einem "Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" will die Bundesregierung neue europäische Richtlinien zur Arzneimittel- und Fälschungssicherheit - das so genannte "Pharmapaket" - in nationales Recht umsetzen.
Darüber hinaus sind weitere Änderungen geplant. Deren wohl gravierendste: der Ausschluss der Pharmaindustrie aus den BfArM-Ausschüssen für Verschreibungs- und Apothekenpflicht.
Demnach sollen diese beiden Gremien künftig zusammen gelegt werden und ebenso wie die Deutsche Arzneibuch Kommission nur noch mit Vertretern "der medizinischen oder pharmazeutischen Wissenschaft" besetzt werden.
Neustrukturierung "Im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien"
Erforderlich, heißt es in einem Konzeptpapier des BMG, sei diese Neustrukturierung "im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien".
Die Interessen der Industrie sowie nicht näher bestimmter "anderer Gruppierungen" - hier ist etwa an Apothekerschaft, Krankenkassen, Einzelhandel oder Verbraucherverbände zu denken -, würden in Zukunft nur noch bei Anhörungen vor einem abschließenden Verordnungserlass "geltend gemacht werden können".
"Seit 30 Jahren arbeiten wir in den Ausschüssen mit und leisten wichtige inhaltliche Beiträge. Es gab und gibt kein Einfluss- oder Bedrohungspotenzial durch die Industrie, das ihren Ausschluss rechtfertigen würde", beklagt ein Branchenkenner im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Von jeher haben Industrievertreter in den Ausschüssen nur ein Fünftel der Stimmen
Von jeher entfielen in den Ausschüssen auf Industrievertreter lediglich ein Fünftel der Stimmen. Außerdem sei das Bundesgesundheitsministerium an die Ausschussempfehlungen nicht gebunden und habe sich "in der Vergangenheit oft genug auch anders entschieden".
Auf der Habenseite der geplanten Gesetzesänderungen können die Arzneimittelhersteller die Liberalisierung des Heilmittelwerberechts verbuchen. Unter anderem soll das Publikums-Werbeverbot für Schlafmittel und Stimmungsaufheller fallen.
Ebenso das Verbot, öffentlich für OTC-Medikamente "mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Publikationen sowie mit Hinweisen darauf" zu werben.
Auch mit Krankengeschichten oder "Äußerungen Dritter" soll künftig geworben werden dürfen, sofern dies nicht in "missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise" geschieht.