SARS-CoV-2 und Beherbergungsverbote

Reiberei um innerdeutsche Reiserei

Die Kritik am Beherbergungsverbot war schallend. Weltärztebund-Chef Montgomery findet deutliche Worte dafür: „Völliger Unsinn“. Nun entscheiden Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder erneut darüber. Derweil löst ein Ärztevertreter mit seiner Idee Verwunderung bei Laborärzten aus.

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So richtig klar, wo es in Sachen Hotelübernachtungen hingeht, ist es momentan nicht. Kanzlerin und Ministerpräsidenten wollen daher nochmal über das Beherbergungsverbot reden.

So richtig klar, wo es in Sachen Hotelübernachtungen hingeht, ist es momentan nicht. Kanzlerin und Ministerpräsidenten wollen daher nochmal über das Beherbergungsverbot reden.

© Sebastian Gollnow/dpa

Berlin. Beherbergungsverbote und das Reisen innerhalb Deutschlands schlagen sich unmittelbar in den Praxen der Hausärzte nieder. Grund: Wer einen negativen Corona-Test vorlegen kann, der nicht älter als 48 Stunden ist, kann damit das Verbot aushebeln.

Um diese Frist überhaupt noch einhalten zu können, sollten Reisewillige sich mit Testwünschen direkt an die Labore wenden, hat nun der Präsident des Hausärzteverbands Nordrhein, Dr. Oliver Funken, vorgeschlagen. „Über diesen Vorschlag wundere ich mich sehr und bin etwas überrascht“, entgegnete Dr. Michael Müller, Vorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) am Dienstag der „Ärzte Zeitung“. Laborärzte führten bekanntlich in der Regel keine Abstriche durch.

Müller: „Ich würde es begrüßen, wenn wir für die Lösung solcher Aufgaben interdisziplinär vorgehen. Die Pandemie erfordert die Zusammenarbeit zwischen allen Fachdisziplinen.“ Das Verbot fordert die Labore. Der ALM-Vorsitzende verweist auf viele Tausend Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern seit Donnerstag. Die Zahl der SARS-CoV2-PCR-Tests stieg in der vergangenen Woche mit 1.069.048 Tests um sieben Prozent im Vergleich zur Vorwoche.

Montgomery: Lieber Ausreiseverbote

Für Ausreise- anstelle von Einreiseverboten hat Weltärztebund-Chef Professor Ulrich Montgomery plädiert. „Man muss an der Stelle, wo die Infektionen sind, ansetzen“, sagte der frühere Präsident der Bundesärztekammer am Dienstagmorgen dem Deutschlandfunk.

So müsse zum Beispiel Berlin dafür sorgen, dass seine Bewohner nicht nach Mecklenburg-Vorpommern führen, um die Menschen dort zu schützen, sagte der Radiologe aus Hamburg. In Berlin ist nach aktuellem Stand die Grenze von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen überschritten, in Mecklenburg-Vorpommern erreicht dieser Wert nicht einmal die Hälfte, einige Kreise an der Ostseeküste haben in den vergangenen sieben Tagen sogar gar keine Neuinfektionen gemeldet.

Als „völligen Unsinn“ bezeichnete Montgomery das Beherbergungsverbot, das Angela Merkel und die Regierungsspitzen der Bundesländer am Mittwoch erneut beraten wollen. In vielen Ländern seien schließlich Besuche bei der Familie gestattet, auch Geschäftsreisen könnten stattfinden.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich im Vorfeld des Bund-Länder Treffens für eine bundesweit einheitliche Regelung für innerdeutsche Reisen und Beherbergungen ausgesprochen. „Wenn es um Mobilität geht und keine einheitlichen Regeln da sind, dann untergräbt das Akzeptanz“, sagte Spahn am Montagabend bei einer Videokonferenz des ifo-Instituts. Der Minister verwies darauf, dass ein Beherbergungsverbot in vielen Bundesländern bereits seit Juli gelte. Allerdings würden die Regeln erst scharfgeschaltet, wenn die 50er-Grenze gerissen werde. Erst vor wenigen Tagen hatte der Minister die Menschen in Deutschland dazu aufgefordert, ihren Herbsturlaub in Deutschland zu verbringen.

Einigung auf einheitliche Regeln in weiter Ferne?

Für die Aussprache am Mittwoch hat die Kanzlerin nach aktuellem Stand auf persönlicher Anwesenheit der Länder-Chefs in Berlin bestanden. Kanzleramtsminister Helge Braun betonte, das Treffen könne „historische Dimension“ erlangen.

Eine Einigung auf einheitliche Regeln scheint allerdings in weiter Ferne. Nordrhein-Westfalen werde das Beherbergungsverbot auch weiterhin nicht umsetzen, kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann am Dienstagmittag in Düsseldorf an. „Diese Maßnahme hat viel Akzeptanz kaputtgemacht“, sagte Laumann. Wie bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit Angela Merkel am Mittwoch eine Einigung in dieser Frage gefunden werden solle, wisse er auch nicht.

Er widersprach damit dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Gassen. Der hatte zuvor in einem Interview angemerkt, dass selbst 10.000 Infektionen am Tag kein Drama wären, wenn nur einer von tausend tatsächlich schwer erkranke.

KBV-Chef Gassen hat unterdessen Hoffnungen gedämpft, der Einsatz von Antigen-Tests könne das Durchführen von Großveranstaltungen erleichtern und potenzielle Ansteckungsrisiken sicher ausschließen. Die Tests seien kein Allheilmittel, sagte Gassen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Die Vorstellung, wir machen bei 5000 Stadionbesuchern mal eben einen Schnelltest, bleibt Science Fiction“, sagte Gassen. (nös, af, dpa)

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