Richter stärken Missbrauchsopfer

Kann der Anspruch auf staatliche Hilfen für Missbrauchsopfer verjähren? Nein, sagen Sozialrichter. Auch wenn sich Opfer erst während der Therapie erinnern, haben sie noch immer Anspruch auf die Hilfen.

Veröffentlicht:
Selbst wenn es schon Jahre her ist: Der Anspruch auf Hilfen für Missbrauchsopfer gilt.

Selbst wenn es schon Jahre her ist: Der Anspruch auf Hilfen für Missbrauchsopfer gilt.

© Gina Sanders / fotolia.com

STUTTGART (mwo). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat den Anspruch der Opfer von sexuellem Missbrauch auf staatliche Hilfen gestärkt.

Nach einem in der vergangenen Woche bekannt gegebenen Urteil kann ihnen Opferentschädigung auch dann zustehen, wenn sie diese erst Jahre später beantragen, weil sie sich erst im Zuge ihrer Therapie genau genug erinnern konnten.

Die Klägerin musste als Kind regelmäßig zu ihrem Vater "zum Mittagsschlaf" ins Bett kommen und dort sexuelle Handlungen an ihm vornehmen.

Beim Baden seifte der Vater seiner Tochter noch im Alter von 14 Jahren die Brüste ein. Die schwer traumatisierte Klägerin ist seit ihrer Volljährigkeit in ständiger psychiatrischer Behandlung.

Erst im Rahmen der Therapie konnte sie sich genauer an die Vorfälle erinnern. Die Schwester und die Mutter des Opfers bestätigten dies.

Späte Erinnerung darf kein Nachteil sein

Sie gaben an, aus Scham über "die Verhältnisse in der Familie" und über ihr eigenes Versagen gegenüber dem Opfer bislang geschwiegen zu haben.

Erst 2006, 34 Jahre nach dem Tod des Vaters und damit auch dem Ende des Missbrauchs, beantragte die Frau eine Opferentschädigung. Die Behörden lehnten dies unter Hinweis auf den langen Zeitablauf ab. Zudem gebe es keine Zeugen.

Nach dem Stuttgarter Urteil vom 15. Dezember 2011 darf es dem Opfer aber nicht zum Nachteil gereichen, dass sie sich erst im Zuge ihrer Therapie näher an die früheren Vorfälle erinnern konnte.

An der Glaubwürdigkeit des Opfers sowie ihrer Schwester und ihrer Mutter bestünden dennoch keinerlei Zweifel. Daher stehe der Frau eine Opferentschädigungsrente zu.

Die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel ließ das LSG nicht zu, hiergegen haben die Versorgungsbehörden aber Beschwerde beim BSG eingelegt.

Az.: L 6 VG 584/11

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen