Höchstrichterliche Entscheidung angestrebt

Richtlinie zur Ersteinschätzung im Notfall: Bundesausschuss klagt gegen BMG-Beanstandung

Der Gemeinsame Bundesausschuss will juristisch klären lassen, wie weit das Bundesgesundheitsministerium als Rechtsaufsicht in fachliche Entscheidungen eingreifen darf.

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Im Juli hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Ersteinschätzung in Notaufnahmen der Krankenhäuser beschlossen. Das Bundesgesundheitsministerium hat diese umfangreich beanstandet. Jetzt sind die Gerichte am Zug.

Im Juli hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Ersteinschätzung in Notaufnahmen der Krankenhäuser beschlossen. Das Bundesgesundheitsministerium hat diese umfangreich beanstandet. Jetzt sind die Gerichte am Zug.

© Sebastian Gollnow / dpa / picture alliance

Berlin. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat beschlossen, mit einer Klage vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gegen eine umfassende Beanstandung der Richtlinie zur Ersteinschätzung in der stationären Notfallversorgung juristisch gegen das Bundesgesundheitsministerium vorzugehen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung – hier geht es um die Frage, wie weit die Rechtsaufsicht in fachliche Entscheidungen des Bundesausschusses eingreifen darf – strebt der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken eine höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundessozialgericht an.

Die im Juli beschlossene Richtlinie regelt qualitative, personelle und organisatorische Details für ein neues Verfahren für Hilfesuchende in Notaufnahmen der Krankenhäuser zur Feststellung des akuten Versorgungsbedarfs und zur Weiterleitung in die stationäre oder ambulante Versorgung. Die Genehmigung durch das BMG ist Voraussetzung für das Inkrafttreten der Richtlinie; dies kann sich durch die Beanstandung und den jetzt entstandenen Rechtsstreit womöglich erheblich verzögern.

Was für die Klage maßgeblich ist

Hecken nennt vier Punkte, die für die Klage maßgeblich sind:

  • Fehlerhafte Auslegung der gesetzlichen Vorgaben für den Bundesausschuss durch das BMG
  • Fehlerhafte Ausübung des Ermessensspielraums hinsichtlich der Rechtsaufsicht durch das Ministerium
  • Die falsche Auffassung des Ministeriums, der Bundesausschuss sei in der Pflicht, Vergütungsfragen bei Krankenhausleistungen zu regeln; dies sei Aufgabe anderer Teile der Selbstverwaltung
  • Überschreitung der aufsichtsrechtlichen Kompetenzen des BMG, wenn es fachliche Lösungen des Bundesausschusses durch eigene fachliche Erwägungen und Beurteilungen ersetzen wolle

Gefährdung der Patientensicherheit – „das ist falsch!“

Scharf verwahrt sich Hecken gegen die Behauptung des Ministeriums, die Richtliniengestaltung durch den G-BA gefährde die Patientensicherheit: Dafür „sehe ich keinen inhaltlichen Bezug. Schon heute ist die Frage nach dem medizinischen Bedarf der Hilfesuchenden und damit nach der Dringlichkeit einer Behandlung für Mitarbeitende in Notfallaufnahmen leitend. Das Einordnen von Hilfesuchenden in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichem Behandlungsbeginn ist also etabliert und originäre ärztliche Aufgabe. Es gefährdet die Patientensicherheit keineswegs.

Schon heute basiert das Arbeiten in Notaufnahmen auf einem Qualitätsmanagement mit geregelten Zuständigkeiten, organisierten Prozessen und Eskalationsinstanzen sowie einem etablierten Fehlermanagement. Deshalb setzt das stufenweise Vorgehen, das in der Richtlinie vorgesehen ist, auf der derzeitigen Praxis auf. Anders als das BMG meint, würde gerade der Verzicht auf die gestufte Einführung der verschiedenen Bausteine der Ersteinschätzung eine geordnete Umsetzung in die Abläufe der Krankenhäuser verhindern.“

Rechtlich nicht haltbar sei auch die Kritik des Ministeriums, Hilfesuchende, die mit dem Rettungswagen zur Notaufnahme gebracht werden, seien vom Regelungsauftrag an den Bundesausschuss nicht umfasst. Hecken: „Der Rettungsdienst ist keine Behandlungsebene, sondern lediglich ein Instrument, Patienten zur ärztlichen Behandlung zu bringen. Wenn 50 Prozent der Patienten, die mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahmen kommen, diese wieder zu Fuß und ohne lebensbedrohliche Symptome verlassen können, wird klar, dass auch hier eine standardisierte und strukturierte fachliche Sicht geboten ist“, argumentiert der G-BA-Chef. (HL)

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