Sachsen-Anhalts erste angestellte Ärztin

"Filialpraxis" steht auf dem Schild an der Hausarztpraxis in Letzlingen (Sachsen-Anhalt). Dr. Annett Lüders ist die erste und bislang einzige angestellte Vertragsärztin der KV Sachsen-Anhalt.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Schloss Letzlingen in der Altmark (Sachsen-Anhalt): In dieser Idylle betreibt die KV eine eigene Praxis.

Schloss Letzlingen in der Altmark (Sachsen-Anhalt): In dieser Idylle betreibt die KV eine eigene Praxis.

© NBL / imago

LETZLINGEN. Als die Hausarztpraxis in der 1500-Seelen-Gemeinde vor knapp zwei Jahren zu verwaisen drohte, mietete die KV Sachsen-Anhalt die Praxis, stattete sie modern aus und gewann zwei Hausärzte im Rentenalter, die dort abwechselnd auf Honorarbasis praktizierten. Allen war klar, dass dies nur eine Übergangslösung sein konnte.

"Ich kannte die Nöte sehr genau, denn ich saß damals im Gemeinderat", berichtet Dr. Annett Lüders.

Die Internistin Dr. Annett Lüders hat positive Erfahrungen in der Filialpraxis gemacht.

Die Internistin Dr. Annett Lüders hat positive Erfahrungen in der Filialpraxis gemacht.

© Zieler

Die Fachärztin für Innere Medizin, die bis 2011 Oberärztin für Onkologie in der Rehaklinik Kalbe war, ist mit ihrem Heimatdorf sehr verbunden.

Dort wohnt sie seit 46 Jahren, dort leben ihre Eltern. Sie kennt fast jeden und jeder kennt sie. "Nach 15 Jahren Onkologie kann mal was anders werden, hab' ich damals gedacht und ein Gespräch mit der KV gesucht."

Die bot der erfahrenen Ärztin die Möglichkeit der Anstellung. "So musste ich keine Kredite für die Einrichtung der Praxis aufnehmen, keine Arzthelferinnen einstellen und mich auch nicht um die Verwaltung des Praxisbetriebes kümmern", sagt Lüders.

Fahrschule für die Niederlassung

Die Option, die Praxis später doch zu übernehmen, hat sich die Fachärztin offen gehalten. "Die Anstellung ist für mich eine Art Fahrschule, um zu sehen, wie ich in der Niederlassung klar komme."

Bei 1000 Scheinen im Quartal - Tendenz steigend - und zufriedenen Patienten, ergibt sich die Antwort hierauf von selbst.

Allerdings will Lüders wegen der betagten Eltern nur an vier Tagen in der Woche arbeiten. Die Filialpraxis ist dennoch an fünf Tagen geöffnet. Jeweils freitags praktiziert Dr. Wilfried Schielke.

Der pensionierte Internist hatte die Praxis übergangsweise gemeinsam mit Dr. Ursula Kleemann geführt. Beide Ärzte springen auch heute noch ein, wenn Lüders Urlaub hat oder krank ist.

"Die Praxis ist immer besetzt. Das finden die Leute gut und ich muss mich um die ganzen Formalitäten zum Glück nicht kümmern."

Für alle Verwaltungs- und Managementfragen in den bislang vier Filialpraxen in Sachsen-Anhalt, die alle in der dünn besiedelten Altmark liegen, ist das Vernetzte Versorgungszentrum der KV zuständig.

Die insgesamt neun Arzthelferinnen in diesen Praxen sind ebenfalls Angestellte der KV. Sie sind qualifiziert und haben zum größten Teil auch das VERAH-Zertifikat (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) in der Tasche, so dass sie den Hausärzten bestimmte Aufgaben abnehmen können.

Junges Dorf wegen der Bundeswehr

KV-Chef Burkhard John: "Wir wollen den Service in unseren Filialpraxen weiter erhöhen und bemühen uns, Fachärzte zu gewinnen, die dort ihre Spezialsprechstunden zu festgelegten Zeiten abhalten."

Besonders ältere Patienten würden profitieren, wenn ihnen Fahrten zum Facharzt in der Stadt erspart bleiben. Ein Konzept, mit dem sich auch Lüders anfreunden kann.

"Wer auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, hat es oft schwer von A nach B zu kommen."

Dank des Bundeswehr-Standortes ist Letzlingen ein relativ junges Dorf, doch die Zahl der älteren Patienten überwiegt auch in dieser Hausarztpraxis. Versorgungsprobleme wird es in Letzlingen auf lange Sicht vermutlich nicht geben.

Anna, die 23-jährige Tochter von Lüders, möchte gern Hausärztin werden - am liebsten in Letzlingen. 2013 kann die gelernte Physiotherapeutin nach vielen Wartesemestern endlich ihr Studium starten.

"Sechs verschenkte Jahre", ärgert sich die Mutter. Statt starr nach Zensuren zu urteilen, sollten die Universitäten die Landeskinder nach anderen Kriterien auswählen, fordert sie. "Dann hätten wir auch weniger Probleme mit dem Ärztenachwuchs", sagt Lüders.

Jobsharing dominert die Arbeit in den Filialpraxen

Insgesamt 1,8 Millionen Euro haben das Land, AOK Sachsen-Anhalt und die KV Sachsen-Anhalt für Einrichtung, Besetzung und Betrieb der vier Filialpraxen bereitgestellt. Dabei haben sich verschiedene Modelle etabliert. Während sich in Kalbe/Milde beispielsweise drei Honorarärzte eine Praxis teilen und auf diese Weise die hausärztlichen Sprechstunden an vier Tagen in der Woche sicherstellen, fährt Hausärztin Dr. Carola Lüke aus Jerichow einmal in der Woche in die Filialpraxis nach Schönhausen. Dort testet das Vernetzte Versorgungszentrum der KV derzeit die Einführung der elektronischen Patientenakte. Diese ermöglicht es der Ärztin, von der eigenen Praxis in Jerichow aus jederzeit auf Daten der Schönhauser Patienten zuzugreifen. Die Patienten können auf diese Weise Befunde telefonisch auch erfragen, wenn die Ärztin nicht im Ort ist.

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