Vorbild Schleswig Holstein

Schlaganfallpatienten werden effizient versorgt

Nichts geht ohne Vernetzung, doch die Gräben zwischen den Versorgungssektoren im Gesundheitswesen sind tief. Dass es dennoch Wege aus dem Dilemma gibt, zeigen die Beteiligten in der Schlaganfallversorgung in Schleswig-Holstein.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Seit Jahrzehnten wird eine engere Vernetzung im Gesundheitswesen angemahnt. Auffällig viele Akteure verfallen in eine schleppende Gangart, sobald sie zur Kooperation aufgefordert werden. Kein Wunder – abgeschottete Honorartöpfe, über Jahrzehnte gepflegte Vorurteile und Frust nach gescheiterten Bemühungen machen es schwer, die Gräben zwischen den Sektoren zu überwinden.

Dass es auch anders geht, zeigen die Beteiligten in der Schlaganfallversorgung im Norden. Viele Menschen in Schleswig-Holstein haben die Chance, davon zu profitieren – jedes Jahr erleiden 11.000 Menschen allein in Schleswig-Holstein einen Schlaganfall. Damit sie eine bessere Versorgung als in der Vergangenheit erhalten, realisieren Kliniken abgestufte Versorgungskonzepte, reden niedergelassene Ärzte mit Logopäden und Ergotherapeuten über regionale Zusammenarbeit, informieren sich Professoren bei Betroffenen, und in Schulungen lassen sich unterschiedliche Berufsgruppen darüber unterrichten, wie sie in der Schlaganfallbetreuung auch über ihren erlernten Beruf hinaus noch helfen können.

Oberstes Ziel all dieser Bemühungen ist es, die Versorgung zu verbessern. Eine ähnlich aufgeschlossene und von gegenseitigem Respekt getragene Stimmung wünscht man sich auch für andere Krankheitsbilder. In der Schlaganfallversorgung ist das nicht von heute auf morgen gelungen, sondern Zwischenergebnis eines jahrelangen Prozesses, den Betroffene selbst maßgeblich mit angestoßen haben. Sie haben es geschafft, dass die Beteiligten auf Augenhöhe kommunizieren und Vorschläge ernst nehmen, auch wenn sie nicht von hochdekorierten Medizinern kommen. Einige Projekte zeigen, dass sich in dieser Stimmung tatsächlich einiges in der Versorgung von Schlaganfallpatienten bewegt hat.

Uniklinikum steuert Versorgung Jüngstes Beispiel für eine ganze Reihe von Kooperationen ist die in Kiel verabredete Standardisierung der Schlaganfallversorgung zwischen dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), dem Städtischen Krankenhaus (SKK) und dem Rettungsdienst.

Sie sieht vor, dass die Behandlung von Patienten mit akuten Schlaganfällen künftig über das UKSH gesteuert wird. Erstdiagnostik und Akutbehandlung finden auf der Stroke Unit des Universitätsklinikums statt, wo man bei Bedarf jedes Fach hinzuziehen und fachübergreifende Therapiekonzepte erstellen kann. Für die nachfolgende Therapie haben sich die beiden Häuser auf eine abgestufte Versorgung verständigt, die sich an den jeweiligen medizinischen Erfordernissen orientiert.

Für den Rettungsdienst ist damit die erste Anlaufstelle geregelt. "Es müssen keine Betroffenen mehr zu einer dringlichen Therapie von einer Klinik in die andere verlegt werden", sagt dazu Dr. Wolfgang Notz, ärztlicher Leiter Rettungsdienst der Berufsfeuerwehr Kiel. Er ist schlicht "dankbar" für die Absprache. Die Stroke Unit am UKSH wurde kürzlich von elf auf 15 Betten erweitert, damit könnten rund 1500 Patienten jährlich dort versorgt werden, bislang sind es 1000. Auch mit den Krankenhäusern in Neumünster, Rendsburg, Schleswig und Malente hat das UKSH bereits Absprachen zu einer abgestuften Kooperation getroffen. Die Versorgung im Norden profitiert aber auch von anderen Vernetzungen.

 So hat sich in Kiel auf Initiative eines Sanitätshauses eine Schlaganfall-Allianz gebildet, in der sich Logo-, Ergo- und Physiotherapeuten über die Behandlung abstimmen. Weitere Beispiele für Verbesserungen: Die Patientenorganisation Schlaganfall-Ring Schleswig-Holstein verzeichnet große Resonanz auf eine kürzlich gestartete Ausbildung zum Schlaganfall-Helfer. Zielgruppe sind Mitarbeiter aus medizinischen Berufen wie etwa Medizinische Fachangestellte (MFA).

Sie erhalten an zwei Schulungstagen Grundlagen rund um das Krankheitsbild und Möglichkeiten der Beratung und Betreuung vermittelt. Ziel ist es, die Betroffenen nach der Klinikentlassung besser begleiten zu können. Die Patientenorganisation arbeitet dafür eng mit der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und der Ärztekammer zusammen.Ziel ist eine flächendeckende Struktur

Auch die Nachsorge in den einzelnen Regionen soll durch eine bessere Vernetzung vor Ort verbessert werden. An solchen Nachsorge-Netzen wird im Norden derzeit gearbeitet. Langfristiges Ziel ist eine flächendeckende Struktur, in der sich regionale Netze gegenseitig austauschen. Hierbei unterstützt der Schlaganfall-Ring gemeinsam mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Uni in Kiel. Von der Vernetzung erhoffen sich die Beteiligten auch ein besseres Entlassmanagement aus der Reha, regionale Fallkonferenzen oder eine standardisierte Einbindung der Selbsthilfe in das ambulante Therapiekonzept.

Die Umsetzung solcher Projekte kostet Geld, das auch aus öffentlichen Mitteln, Stiftungen und Drittmitteln kommen kann. Auch für die Generierung solcher Mittel gilt, dass abgestimmte Projekte oft bessere Chancen haben als Insellösungen. Zugleich braucht es aber auch Initiatoren, die sich von Hindernissen nicht abschrecken lassen und ein Ziel auch langfristig verfolgen. Die Schlaganfallszene im Norden hat das Glück, dass sich solche Initiatoren in ihren Reihen befinden. Das Gesundheitswesen könnte mehr von ihnen gebrauchen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
PAP senkt Mortalität signifikant

© ResMed

Lancet: Neue Meta-Analyse

PAP senkt Mortalität signifikant

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

© ResMed

PAP scheitert oft

Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Schlafstörungen als Warnsignal

© shapecharge | iStock

Früherkennung Demenz

Schlafstörungen als Warnsignal

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Therapieumstellung versus -verbleib: Risiken für Schlaganfälle/systemische Embolien und schwere Blutungen

© Springer Medizin Verlag GmbH

Neue Daten zu DOAK-Therapiewechsel

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA, München, und der Pfizer Pharma GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse