Kommentar
Schweigepflicht schützt die Täter
Ärzte freuen sich darüber, dass die ärztliche Schweigepflicht gelockert wird. Diese Nachricht mag zuerst verblüffen. Doch die Mediziner, die dem Entwurf der Bundesregierung für ein Kinderschutzgesetz applaudieren, tun das aus gutem Grund.
Mit dem neuen Gesetz erhalten sie eine sichere rechtliche Grundlage für den verantwortungsvollen Einsatz für ihre jüngsten Patienten. Künftig können Ärzte aktiv werden und ohne Zustimmung der Eltern das Jugendamt benachrichtigen, wenn es bei einem Kind Anzeichen für Misshandlung gibt.
Auch bisher haben sich Ärzte für betroffene Kinder stark gemacht. Die Rahmenbedingungen haben ihnen dabei aber nicht gerade geholfen. Während die ärztliche Schweigepflicht sonst dem Schutz des Patienten dient, kehrte sie sich in diesem Bereich leicht ins Gegenteil. Wenn Mediziner über das, was sie gesehen haben, schweigen müssen, schützt das die Täter, nicht ihre wehr- und hilflosen kleinen Opfer.
Die Lockerung der Schweigepflicht ist ein wichtiger Schritt, es müssen aber weitere folgen. So müssen sich Ärzte gegenseitig über Misshandlungen informieren können. Eine Datenbank, auf die nur Ärzte Zugriff haben, könnte dazu beitragen, Leid zu verhindern.
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