Bund-Länder-Arbeitsgruppe
Sozialverbände: Politiker sollen ihre Finger vom Pflegegrad 1 lassen
Die Bund-Länder-AG zur Pflegereform berät über erste Schritte. Sozialverbände pochen derweil darauf, dass den Pflegekassen die Coronakosten erstattet werden. Eine andere Idee weist man scharf zurück.
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Wie Pflege im Alter bezahlbar und machbar halten? Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe bereitet Inhalte einer Reform vor.
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Berlin. Bund und Länder machen Tempo bei der geplanten Reform der sozialen Pflegeversicherung. An diesem Montag (13. Oktober) findet eine digitale Sitzung der entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe statt. In dieser würden bisherige Ergebnisse der Gespräche auf Fachebene besprochen, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums auf Anfrage der Ärzte Zeitung.
Die Sitzung sei bis 18 Uhr angesetzt. Wie bei der Auftaktsitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Juli erörtert, sollten Eckpunkte dann bis Ende des Jahres konsentiert werden, so der Sprecher.
Ziel ist es, die finanziell angeschlagene und strukturell angestaubte Sozialversicherung über verschiedene Maßnahmen zukunftsfest umzubauen. Zuletzt war kontrovers über die Abschaffung oder mindestens Umgestaltung des Pflegegrads 1 diskutiert worden.
Diakonie kritisiert Hilflosigkeit der Politik
Sozialverbände appellierten am Montag erneut an die Politik, die Finger von Pflegegrad 1 zu lassen. „Dass freihändig über die Abschaffung der Leistungen bei Pflegegrad 1 diskutiert wird, zeigt die Hilflosigkeit der Politik“, sagte die Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, Elke Ronneberger.
Soziale Pflegeversicherung
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Es bestehe das Risiko, am falschen Ende zu sparen. Stattdessen sollten die Mehrausgaben der Pflegekassen in der Corona-Zeit in Höhe von rund sechs Milliarden Euro endlich erstattet werden, so Ronneberger. Es gehe nicht an, dass Beitragszahler für staatlich veranlasste Kosten aufkämen.
Langfristig brauche es einen verlässlichen Bundeszuschuss aus Steuermitteln für versicherungsfremden Leistungen – etwa die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige und die Kosten der Pflegeausbildung. Allein die Rentenbeiträge für Pflege-Angehörige werden auf rund 3,6 Milliaden Euro pro Jahr beziffert.
Beim Thema Pflege bitte „groß denken“
Die Vorständin beim Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege, Anna Leonhardi, rief die Politik auf, beim Thema Pflege „groß zu denken“. Die Demografie zwinge dazu. Eine Erosion des Solidarsystems würde mittelfristig die Akzeptanz und Legitimität der Pflegeversicherung gefährden.
Ende 2023 wurden in Deutschland rund 5,7 Millionen pflegebedürftige Menschen gezählt. Rund vier von fünf Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt – meist von pflegenden Angehörigen. Bewohner in Heimen machen rund ein Fünftel der pflegebedürftigen Menschen aus. Das Finanzloch in der sozialen Pflegeversicherung wird auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt. (hom)