Infektionen
WHO: Antibiotikaresistenz steigt weltweit deutlich an
Die Antibiotika-Resistenz schreitet schneller voran als die medizinische Entwicklung. Neue WHO-Zahlen zeigen bedenkliche Trends und große regionale Unterschiede. Wie ist die Situation in Deutschland?
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Test auf Antibiotikaresistenzen: Im Jahr 2021 sind nach WHO-Angaben rund 1,1 Millionen Menschen weltweit an aufgrund einer Antibiotikaresistenz gestorben.
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Genf. Die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika steigt rasch. Weltweit sei jede sechste im Labor bestätigte bakterielle Infektion durch antibiotikaresistente Erreger ausgelöst worden, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag.
Sie hat das Problem erstmals in Bezug auf 22 oft gebrauchte Antibiotika quantifiziert, die etwa gegen Infektionen der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts, der Blutbahn oder gegen Gonorrhoe eingesetzt werden. Die neuesten Zahlen stammen von 2023.
Die WHO betrachtete dabei auch verschiedene Kombinationen von Bakterien und Antibiotika. Das Ergebnis: Von 2018 bis 2023 ist die Resistenz bei mehr als 40 Prozent davon gestiegen und zwar je nach Kombination Bakterium-Antibiotikum um 5 bis 15 Prozent pro Jahr.
In die Studie sind rund 23 Millionen Daten aus mehr als 100 Ländern eingeflossen. „Antibiotikaresistenz ist weit verbreitet und bedroht die Zukunft der modernen Medizin“, warnt Yvan Hutin, Direktor der zuständigen WHO-Abteilung.
Regionale Verteilung unterschiedlich
Dabei gibt es große regionale Unterschiede. In Südostasien und im östlichen Mittelmeerraum seien bereits eine von drei gemeldeten Infektionen gegen die untersuchten Antibiotika resistent.
Das Problem sei besonders in Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen verbreitet. Im Jahr 2021 sind nach WHO-Angaben 7,7 Millionen Menschen weltweit an einer bakteriellen Infektion gestorben. Gut 1,1 Millionen seien direkt auf Antibiotika-Resistenzen zurückzuführen gewesen.
Krankenhäuser betroffen
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Betrachtet hat die WHO acht weit verbreitete Bakterien, die etwa Infektionen der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts oder der Blutbahn verursachen. Bei mehr als 40 Prozent der E. coli- und 55 Prozent der K. pneumoniae-Bakterien seien die gängigen Antibiotika nicht mehr wirksam. In afrikanischen Ländern seien es manchmal mehr als 70 Prozent.
Diese Bakterien könnten auch Sepsis und schließlich Organversagen auslösen, so die WHO. Noch gebe es dagegen andere Antibiotika, die aber teurer seien und in vielen ärmeren Ländern nicht zur Verfügung stünden.
Seltener Antibiotikaresistenzen in Industrieländern
„Vor 25 Jahren hatten wir die Vorstellung, die Antibiotikaresistenz ist dort hoch, wo viele Antibiotika gegeben werden, in den reichen Industrieländern. Aber dieser Bericht bestätigt, dass die Resistenzanteile in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen teilweise wesentlich höher liegen“, kommentierte Dr. Tim Eckmanns, Leiter des Fachgebiets Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch, Robert Koch-Institut (RKI), die Studie in einer Mitteilung des Science Media Centers (SMC).
Ursache dafür seien unter anderem zu wenig Diagnostik, keine Finanzierung des Gesundheitssystem, dadurch falsche, zu kurze (Therapieabbruch, weil Antibiotika nicht mehr gezahlt werden können) oder keine Antibiotikatherapie, zu wenig Krankenhaushygiene oder zu wenig Impfungen.
MRSA: Weniger Resistenzen im deutschsprachigen Raum
Eckmanns betont, dass die Auswertung zeigte, dass durch gute Maßnahmen Resistenzen auch zurückgehen können. Ein gutes Beispiel hierfür sei MRSA in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
„Vor zehn Jahren war der Anteil von MRSA an allen S. aureus in allen drei Ländern in Blutkulturen noch über 15 Prozent, jetzt ist er in allen drei Ländern unter fünf Prozent.“ Diese positiven Nachrichten dürften aber nicht darüber täuschen, dass es auch in den drei Ländern zum Anstieg von Resistenzen insbesondere im Gram-negativen Bereich kommt.
Professor Mathias W. Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena, macht in der SMC-Meldung darauf aufmerksam, dass der Antibiotikaverbrauch in Deutschland im ambulanten Bereich immer noch hoch ist.
„Neben rationalem Einsatz helfen moderne mikrobiologische Diagnostik, therapeutisches Drug Monitoring und schnelle Resistenztests“, wird Pletz zitiert. Auch Ecksmanns zeigt Methoden zur Prävention von Antibiotikaresistenzen auf: „Neben bewussten Umgang mit Antibiotika sind unter anderem Krankenhaushygiene, Impfungen und stabile Surveillancesysteme zentral.“
Die WHO, wie auch Pletz und Eckmanns, verlangt dringend mehr Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika. (dpa/schu)