Corona-Lage

Spahn für neuen, harten Lockdown

Die Coronavirus-Infektionen haben zuletzt wieder deutlich zugelegt. Gesundheitsminister Spahn spricht sich nun für „10/14 Tage richtiges Runterfahren“ aus – und hofft auf die Impfstärke der Praxen.

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Es gilt durchzuhalten und Abstandsregeln einzuhalten, stellte Gesundheitsminister Spahn am Samstag klar. Er schätzt, dass Ende April/Anfang Mai in 80.000 bis 100.000 Arztpraxen Coronavirus-Impfungen verabreicht werden können.

Es gilt durchzuhalten und Abstandsregeln einzuhalten, stellte Gesundheitsminister Spahn am Samstag klar. Er schätzt, dass Ende April/Anfang Mai in 80.000 bis 100.000 Arztpraxen Coronavirus-Impfungen verabreicht werden können.

© Kay Nietfeld / dpa / picture alliance

Berlin. Angesichts schnell steigender Coronavirus-Infektionszahlen plädiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für einen erneuten Lockdown. „Wenn wir die Zahlen nehmen, auch die Entwicklungen heute, brauchen wir eigentlich noch mal 10, 14 Tage mindestens richtiges Runterfahren unserer Kontakte, unserer Mobilität“, sagte der CDU-Politiker am Samstag bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Bundesregierung, bei der Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen konnten. Er appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, „im Zweifel auch mehr als die staatlichen Regeln“ umzusetzen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntagmorgen eine Sieben-Tage-Inzidenz von 129,7. Damit ist der Wert ähnlich hoch wie seit dem 19. Januar (131,5) nicht mehr. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI innerhalb eines Tages 17.176 Fälle, tags zuvor waren es 20.472 neue Corona-Infektionen. Innerhalb von 24 Stunden wurden zuletzt 90 Todesfälle verzeichnet.

Praxen sollen Impfruder rumreißen

Wenn es gelinge, die dritte Welle zu brechen, dann gebe es danach auch die Aussicht auf Öffnungsschritte in Regionen mit niedrigen Infektionszahlen, sagte Spahn. Mehr Tests und Impfungen sollen auch helfen. Im April und Mai solle es mehr Impfungen geben als im gesamten ersten Quartal. Er rechne damit, dass Ende April/Anfang Mail in 80.000 bis 100.000 Arztpraxen Coronavirus-Impfungen verabreicht werden. Nach Ostern werde man beginnen, Hausärzte in die Impfkampagne einzubeziehen, so Spahn. Derzeit impfen Hausärzte nur in Modellprojekten mit. An der geplanten Ausweitung auf Hausärzte sollen laut Spahn zunächst bis zu 50.000 Praxen beteiligt sein.

Später sollen auch Betriebsärzte dazu kommen. „Ich kann halt nur um Geduld bitten. Noch ist es zu knapp“, sagte er über den verfügbaren Impfstoff. Er finde es schwierig, jüngere Mitarbeiter von Unternehmen zu impfen, solange die Älteren noch nicht geschützt seien.

Intensivmediziner unterstützen harten Lockdown

Auch Christian Karagiannidis, Präsident der Intensivmediziner-Gesellschaft DGIIN, forderte angesichts der stark steigenden Infektionszahlen einen harten zweiwöchigen Lockdown und sofortigen Stopp aller geplanten Öffnungsschritte. „Die Beschlüsse für Modellprojekte nach Ostern sind völlig unpassend und müssen von Bund und Ländern sofort zurückgenommen werden“, sagte Karagiannidis, der auch wissenschaftlicher Leiter des Divi-Intensivregisters ist, der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Trotz der seit längerem steigenden Zahlen hatten Bund und Länder auf der Ministerpräsidentenkonferenz zu Beginn der Woche beschlossen, dass die Länder in „ausgewählten Regionen“ in „zeitlich befristeten Modellprojekten“ einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens testweise öffnen dürfen, „mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept“. Mehrere Länder haben angekündigt, gleich mehrere Modellregionen entsprechend zu öffnen. Das Saarland will nach Ostern sogar das ganze Land öffnen – bisher auch ohne eine Befristung.

Lauterbach fordert Ausgangssperren

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte angesichts stark steigender Neuinfektionszahlen zeitnah erneute Corona-Beratungen. „Wir müssen rasch nochmal neu verhandeln“, sagte Lauterbach dem „Tagesspiegel“ (Samstag). „Ohne einen scharfen Lockdown wird es nicht gehen“, betonte er und verteidigte seine Forderung nach bundesweiten Ausgangssperren. „Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr für zwei Wochen würden wirken – wir haben es in Frankreich, Großbritannien und Portugal gesehen.“

Aus Sicht der Linken-Co-Vorsitzenden Janine Wissler muss die Arbeitswelt stärker in die Anti-Corona-Maßnahmen einbezogen werden. „Im Moment ist es so, dass die Betriebsbeschränkungen am Betriebstor enden, aber die Corona-Infektionen enden nicht am Betriebstor“, sagte Wissler im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks. „Wir haben viele Menschen in diesem Land, die ganz normal zur Arbeit gehen, die jeden Tag in Großraumbüros fahren, in Call-Zentren, in Fertigungshallen. Und dort finden Infektionen statt.“ Busse und Bahnen seien voll.

„Ich finde, wenn die Zahlen weiter so in die Höhe gehen, dann muss man auch darüber reden, dass nicht dringend notwendige Produktion ein paar Tage stillgelegt werden muss, um einfach die Infektionsketten zu brechen“, sagte Wissler. Wenn man die Zahlen nicht runter bekomme und in eine Dauerschleife gerate, dann sei das auch wirtschaftlich kurzfristig gedacht.

PEI-Präsident: Prüfung neuer Impfstoffe lässt hoffen

Derweil sieht der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) die derzeit laufende Prüfung neuer COVID-19-Impfstoffe mit Hoffnung. Derzeit prüfe die europäische Zulassungsbehörde EMA drei weitere Präparate in einem „Rolling-Review-Verfahren“, sagte Klaus Cichutek am Samstag bei der Online-Diskussionsveranstaltung für Bürger mit Minister Spahn. Genauer sind das der Impfstoff des Tübinger Unternehmens CureVac, das russische Präparat Sputnik V sowie ein Vakzin des Unternehmens Novovax. Gesundheitsminister Jens Spahn ergänzte, voraussichtlich ab Mitte April werde der bereits zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson zum Einsatz kommen, allerdings anfangs noch in geringen Mengen.

PEI-Präsident Cichutek betonte zudem, das Institut beobachte etwaige Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen sehr aufmerksam. „Die Glocken läuten, wenn es notwendig ist“, betonte Cichutek unter Verweis auf die zeitweilige Aussetzung der Impfungen mit dem AstraZeneca-Präparat nach mehreren Fällen von Sinusvenenthrombosen. (dpa)

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