Flüchtlinge

Spanische Regierung reaktiviert die universelle Gesundheitsversorgung

Nach dem Regierungswechsel steuert Spanien in der Flüchtlings- und Asylpolitik um. Eine der ersten Maßnahmen ist es, auch illegalen Flüchtlingen wieder den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem zu gewähren.

Manuel MeyerVon Manuel Meyer Veröffentlicht:
Nach langer Irrfahrt auf dem Mittelmeer durften die Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff „Aquarius“ schließlich in Spanien landen und wurden medizinisch versorgt.

Nach langer Irrfahrt auf dem Mittelmeer durften die Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff „Aquarius“ schließlich in Spanien landen und wurden medizinisch versorgt.

© Kerry Davies/SOLO Syndicat/dpa

MADRID. Die aktuelle Flüchtlingsdebatte entzweit Europa. Vor allem Österreich, Italien und viele osteuropäische Länder fordern hartes Durchgreifen gegen die illegale Zuwanderung. Doch ausgerechnet aus Spanien, wo die Seenotrettung in diesem Jahr bereits über 13.000 Bootsflüchtlingen zur Hilfe kommen musste, hört man derzeit ganz andere Töne.

Spaniens neuer Regierungschef Pedro Sánchez setzte sich auf dem jüngsten EU-Sondergipfel in Brüssel vehement für eine "verantwortungsvolle, aber auch humanere Flüchtlings- und Asylpolitik" in Europa ein.

Was der erst seit Anfang Juni regierende Sozialist darunter versteht, macht er in seinem Land bereits vor. Spontan erklärte er sich vor wenigen Wochen bereit, die von Italien abgelehnten 629 Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff "Aquarius" aufzunehmen.

Auch sollen die messerscharfen NATO-Stacheldrähte an den sechs Meter hohen Grenzzäunen zu den spanischen Nordafrika-Enklaven Ceuta und Melilla entfernt werden, an denen sich Flüchtlinge bei ihren Versuchen, die Zäune zu überwinden, schwere Schnittverletzungen holen.

Bisherige Sparpolitik wird revidiert

Es handelt sich um symbolische Aktionen, die sich allerdings auch in den ersten Gesetzesinitiativen von Sánchez Regierung fortsetzen. Eine seiner ersten Entscheidungen war nun die Wiedereinführung der "universellen Gesundheitsversorgung", die auch illegalen Einwanderern in Spanien den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem garantiert.

Das Recht auf ärztliche Behandlung war von Spaniens konservativer Vorgängerregierung 2012 für illegale Einwanderer im Zuge der Sparpolitik abgeschafft worden. Spanien dürfe nicht länger "das Paradies der illegalen Einwanderung" sein, ließ die damalige Regierung verlauten. Einzig für Minderjährige, bei Notfällen oder auch bei Schwangerschaften erhielten Immigranten ohne Aufenthaltsgenehmigung ärztliche Hilfe.

"Retten wir Menschen, nicht Banken" protestierten in den vergangenen Jahren immer wieder auch Ärzteverbände gegen diese Sparmaßnahme und verurteilten Spaniens "Apartheid im Gesundheitssystem". Doch damit ist es nun vorbei, erklärte vergangene Woche Spaniens neue Gesundheitsministerin Carmen Montón.

Die medizinische Grundversorgung werde auch für illegale Einwanderer wieder garantiert. "Rund 280.000 Personen wird damit ein Grundrecht zurückgegeben", so die 41-jährige Ärztin.

Die sich nun seit Juni in der Opposition befindenden Konservativen kritisieren die Wiedereinführung der universellen Gesundheitsversorgung als "Angriff auf das staatliche Gesundheitssystem". "Es ist jedoch nicht erwiesen, dass die ärztliche Grundversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung wirklich die Staatskassen mehr belastet, denn illegale Einwanderer nutzten bisher die Lücke und gingen mit allen Beschwerden zur Notaufnahme, was deutlich kostenintensiver ist als die Behandlung in einem staatlichen Gesundheitszentrum", erklärt der spanische Wirtschaftsexperte Javier Rivas.

Auch Rentner profitieren

Von der Wiedereinführung der "universellen Gesundheitsversorgung" würden übrigens auch viele Rentner profitieren, so Gesundheitsministerin Carmen Montón. Denn im Zuge der Gesundheitssystemreform wird auch wieder die Selbstbeteiligung an Arzneimitteln für Rentner gestrichen.

Seit 2012 mussten Patienten über 65 Jahre zehn Prozent der zu zahlenden Medikamente übernehmen. Die damalige Regierung versprach sich davon weniger Medikamentenmissbrauch und Mehreinnahmen.

Wie die neue sozialistische Regierung die Reformen finanzieren will, ist noch nicht klar. Auch bleibt abzuwarten, wie lange sich die Minderheitsregierung an der Macht halten kann, nachdem Sánchez Anfang Juni Amtsvorgänger Mariano Rajoy per Misstrauensvotum überraschend stürzen konnte.

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