Im Gespräch

Spektakulärer Suizid - und Millionen Briten schauen zu

Die TV-Dokumentation eines Suizids mit Hilfe von Dignitas sorgt nicht nur in Großbritannien für Aufregung.

Von Thomas Pfaffe Veröffentlicht:

Durch einen Strohhalm nimmt Craig Ewert den Cocktail aus Schlafmitteln ein - vor Millionenpublikum. Dann beißt er auf einen Schalter, wodurch sein Beatmungsgerät 45 Minuten später abgestellt wird. Seine Hände kann der 59-Jährige für den Knopfdruck nicht verwenden, denn sie sind gelähmt. So gelähmt, wie es bald sein ganzer Körper sein würde.

Doch der frühere Professor wollte sich und seiner Familie die Qualen seiner unheilbaren Nerven- und Muskelkrankheit ersparen. Vor laufender Kamera ließ er sich in einer Klinik der umstrittenen Sterbehilfeorganisation Dignitas bei seinem Selbstmord helfen. Ein letzter Abschied von seiner Frau Mary, dann wirken die Medikamente, Ewert stirbt, die Kamera läuft weiter. Am Mittwochabend wurde die Dokumentation im britischen Fernsehen ausgestrahlt.

Im April 2006 hatte der pensionierte Informatikprofessor, der in Harrogate im Nordosten Englands lebte, die Diagnose erhalten. Eine tödliche Krankheit werde seinen ganzen Körper lähmen, innerhalb von zwei bis fünf Jahren werde er sterben, sagten die Ärzte. Doch die Krankheit verlief schneller als befürchtet, innerhalb weniger Monate saß er im Rollstuhl, konnte nicht mehr eigenständig atmen, seine Arme nicht bewegen und musste künstlich ernährt werden. Daher entschloss sich der Vater zweier Kinder zum begleiteten Selbstmord bei der Organisation Dignitas, die im vergangenen Jahr 141 Menschen beim Suizid geholfen hat.

Der 59-Jährige erlaubte einem Kamerateam um den Oscar-Preisträger John Zaritsky, seine letzten Stunden im September 2006 in einer Züricher Klinik festzuhalten. Zur besten Sendezeit um 21 Uhr wurde für die Dokumentation "Recht zu Sterben" mit einem Millionenpublikum gerechnet. "Wenn ich erstmal komplett gelähmt bin, dann bin ich nur noch ein lebendes Grab, das Nahrung durch einen Schlauch im Magen zu sich nimmt", sagte Ewert vor seinem Selbstmord in die Kamera.

"Wenn ich das jetzt nicht mache, dann entscheide ich mich, zu leiden, das Leid meiner Familie zu verstärken und auf eine wesentlich schmerzhaftere Art zu sterben", stellte Ewert klar. Schon vor der Ausstrahlung sorgte die Dokumentation für Entrüstung. Medienwächter beklagten eine einseitige und zu positive Darstellung des begleiteten Selbstmords. Anti-Sterbehilfe-Organisationen sprachen von einem "makabren Todes-Voyeurismus", der Selbstmord glorifiziere und die lindernden Möglichkeiten der Medizin ausblende.

Der Sender Sky Real Lives verteidigte die Dokumentation: Sie gebe einen "informativen Einblick in Entscheidungen, die manche Menschen treffen müssen". (dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Einschaltquote zählt - sonst nichts

Lesen Sie dazu auch: Wo fängt Sterbehilfe an, und wo hört Palliativmedizin auf?

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sterbehilfe bei neurologischen Erkrankungen oft gefragt

Assistierter Suizid in Deutschland: Rechtliche Situation und offene Fragen

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Hypochlorite desinfizieren gut, sind aber auch giftig und ätzend. In diesem Therapieversuch war die Chemikalie wirksam gegen eine Infektion der Haut mit Polyoma-Viren.

© Malivi / stock.adobe.com

Kasuistik

Trichodysplasia spinulosa: Die Säure hat geholfen

Herzinfarkt: Mehr als die Hälfte der Herzinfarkte ging in einer Studie bei Frauen unter 65 Jahren auf andere Ursachen als eine Atherosklerose der Herzkranzgefäße zurück. (Symbolbild mit Fotomodell)

© My Ocean studio / stock.adobe.com

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose