Studenten protestieren gegen Allgemeinmedizin im PJ

Wird die Allgemeinmedizin Pflicht im Praktischen Jahr? Freitag entscheidet der Bundesrat über die umstrittene Novelle. Jetzt mobilisieren auch die Studenten dagegen.

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Willkommen im Hörsaal.

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© Bernhard Classen / imago

NEU-ISENBURG (bee). Gegen PJ-Pflichtzeiten in der Allgemeinmedizin haben Studentenvertreter zahlreiche Proteste und Demonstrationen im Vorfeld der Bundesratsentscheidung am Freitag organisiert.

In den Städten Göttingen, Münster, Jena, Köln, Mainz, Dresden und München werden Demonstrationen erwartet. "Es geht ausdrücklich nicht darum, die Allgemeinmedizin zu diskreditieren", erklärte Kristian Otte, Vorsitzender der Studenten im Hartmannbund, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Studentenvertreter von der Bundesvertretung der Medizinstudenten (bvmd) erklärten, sie hätten eine Demonstration vor dem Bundesrat am Freitag beantragt.

Wenn dies vom derzeit amtierenden Bundesratspräsidenten und Bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nicht genehmigt wird, dann wollen die Studenten auf dem Gelände der Charité protestieren.

Im Kern der Auseinandersetzung geht es um PJ-Pflichtzeiten in der Allgemeinmedizin. Vertreter der Länder, die selbst aber nicht zitiert werden wollen, hatten vorgeschlagen, die Allgemeinmedizin als drittes Pflichttertial in das PJ zu integrieren.

Da dies aber bedeutet hätte, dass die Studenten neben Stationen der Chirurgie und Inneren Medizin keine weiteren Wahlmöglichkeit gehabt hätten.

Der Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), statt einem Pflichttertial ein Pflichtquartal einzuführen, stößt ebenso bei sämtlichen Vertretern von Fachorganisationen und Fachgesellschaften sowie Studentenvertretern auf Ablehnung.

Die DEGAM bemüht sich in der Debatte derzeit um eine objektive Betrachtung der Kosten, da unter anderem der Medizinische Fakultätentag angegeben hatte, die Kosten für ein Pflichtquartal "in Millionenhöhe" steigen würde. Dies sei nicht so, rechnet die DEGAM vor.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 10.05.201213:09 Uhr

Klartext reden und die Wurzel des Übels an den Hörnern der Inneren Medizin packen !

Mit den Protestaktionen der Studenten werden die eigentlichen Wurzeln des Übels, also die Ursachen des fehlenden Nachwuchses in der Allgemeinmedizin, überdeutlich: Das Fach ist nicht attraktiv, trotz massiver Förderung durch Krankenkassen und KVen, trotz eines von der Mehrzahl der Allgemeinmediziner als gut oder ausreichend beurteilten Einkommens, einer massiven Propagierung des Faches durch die DEGAM und freier Niederlassungsbereiche in Stadt und Land. Alle anderen immer wieder geltend gemachten Gründe sind fadenscheinig.

Selbst den als Allgemeinmedizinern tätigen Müttern und Vätern gelingt es nur selten, ihre Medizin studierenden Kinder für das Fach zu begeistern und Enthusiasmus werden auch die von sich und ihrem Fach begeisterten Leserkommentatoren der Ärztezeitung nicht entfachen.

Auf den Gedanken, dass es sich bei der Weiterbildung in Allgemeinmedizin um eine Fehlkonstruktion handeln könnte, scheint niemand zu kommen. Warum macht man nicht die große Zahl von guten Internisten, die auf die großen Zivilisations- und Volkskrankheiten gut vorbereitet sind, durch eine allgemeinmedizinisch orientierte Zusatzweiterbildung zu noch besseren Hausärzten.
Man müsste Ihnen allerdings wohl das erlernte internistiche Leistungsspektrum im hausärztlichen Versorgungsbereich zubilligen!!
Sollte hier eine ideologische Denkblockade einsetzen, oder Statusprobleme der unterschiedlich weitergebildetn Hausärzte ein Hindernis darstellen, sollte der Nachwuchsmangel der Hausärzte also ein künstlicher sein, der zu Lasten der Sicherstellung und Patientenversorgung geht, so müssten die herkömmlich weitzergebildeten Allgemeinmediziner die ersten sein, die zur Korrektur aufrufen.

Berufspolitiker, die vor 20-30 Jahren in der Verantwortung standen, haben diese Gedanken bereits diskutiert, gescheitert sind derartige Konzepte an der "Erbfeindschaft" BDI-BDA.

Dr. jens wasserberg 10.05.201208:11 Uhr

Es geht wie immer weniger um die Sache

Die Allgemeinmedizin versorgt abschließend die Mehrheit aller Krankheitsfälle. Trotzdem liefert unser System viel zu wenig Nachwuchs, um den Bedarf zu decken. An diesen Tatsachen kommt man nicht vorbei, wenn man über die Fragestellung nachdenkt, wie man mehr Allgemeinmediziner ausbilden kann.
Die Studenten wissen schlicht nicht, welche Tätigkeitsprofile sich konkret hinter den jeweiligen Fachrichtungen verbergen, weswegen man ihnen Einsicht in die unterschiedlichen Gebiete geben will. Da die Allgemeinmedizin in der universitären Ausbildung kaum Raum einnimmt, kann der Nachwuchs foglich nur durch Zufall oder private Kontakte auf das Arbeitsfeld der Allgemeinmedizin vorbereitet werden.
Wer sich also dagegen sperrt, der Allgemeinmedizin einen größeren Raum in der Ausbildung einzuräumen, der verschärft die Situation in der Basisversorgung. Das darf er sicherlich auch, sollte es dann aber auch so sagen ...
Übrigens benötigt unser Medizinsystem, wenn es nachhaltig und finanzierbar sein soll, mehr Allgemeinmediziner als Chirurgen. Insofern stellt sich auch die Frage, warum das eine ein Pflichtfach bleiben soll, und das andere keines werden darf ...

Dr. med. Jens Wasserberg
Allgemeinmedizin

Dr. Uwe Wolfgang Popert 09.05.201223:30 Uhr

Nachtrag

Lieber Herr Otte
Ich habe gerade gesehen - ich habe ihren Vorschlag mit der Pflicht-Famulatur nicht gewürdigt.
Sie haben recht: das wäre besser als bisher. Keine Frage.
Aber es ist etwas anderes. Es geht ja nicht darum, irgendeine sehr übersichtliche Tätigkeit wie EKG-Schreiben, Blutabnehmen usw. zu erlernen.
Es geht um Multitasking bei Mutimorbiden unter Zeit- und Wirtschaftlichkeitsdruck.
Ich vergleiche gerne die Studenten im Blockpraktikum (9.Semester) und im PJ bei mir in der Praxis. Himmelweite Unterschiede! => Erst gegen Ende des Studiums (PJ) haben die meisten Studenten so viele Fertigkeiten und Wissen, dass sie in der großen Themenvielfalt die Möglichkeiten der Allgemeinmedizin nachvollziehen und zum eigenständigen Lernen nutzen können.

Dr. Uwe Wolfgang Popert 09.05.201222:56 Uhr

Missverständnis

Lieber Herr Kristian Otte (sorry!)
Wer hier was als Anlass genommen hat, kann letztlich ziemlich egal sein - die Folgen sind entscheidend.
Es ist bedauerlich, aber leider Realität, dass die Primärversorgung erst im öffentlichen Fokus landet, wenn die Lücken zu klaffen beginnen. So lange hat man die Unis halt unbehelligt "wurschteln" lassen.
Genau deswegen glaube ich aber, dass das PJ in der Allgemeinmedizin auch gerade für diejenigen wichtig ist, die später NICHT Hausärzte werden! (Und hier stockt ihre Argumentationskette entscheidend.)
Wie gesagt, wir reden hier nicht von einem Fach, sondern von einem gesamten Versorgungssektor. (Der in der Ausbildung eine kleinere Rolle spielt als das Pflegepraktikum - warum wohl? )

Nebenbei - wie sah den ihre "Befassung mit dem Thema" aus?
Wie haben Sie sich ein eigenständiges Urteil gebildet?
Haben Sie ein PJ in der Allgemeinmedizin gemacht?
Mit wie vielen PJ`lern aus der Allgemeinmedizin haben Sie gesprochen? Welche Evaluationen bezüglich Zufriedenheit haben Sie angeschaut?

Sie können mir glauben -ich habe mich als Student auch gegen jeden mir unsinnig erscheinenden Zwang gewehrt. Mit Händen und Füßen und Auslandssemestern. Und nach fast 30 Jahren als Arbeitender, Lehrender und Lernender in vielen Bereichen in diesem Gesundheitssystem kann ich Ihnen nur sagen: es gibt vieles zu verbessern. Und dazu gehört unbedingt, dass jeder Student alle Sektoren des Gesundheitssystems kennenlernt. Denn in Zukunft müssen wir bei knappen Ressourcen und höheren Anforderungen besser zusammenarbeiten. Das geht nur, wenn wir die Aufgaben und Tätigkeiten anderer besser überblicken lernen.
Bisher hat jede(r) ArztIn im Krankenhaus gearbeitet. In der Praxis nur ein Drittel. Aber - dort werden 95% der Patientenanliegen behandelt.

Kristian Otte 09.05.201219:06 Uhr

Lückenfüller

Sehr geehrter Herr Dr. Popert,

ich darf Ihnen sagen, dass wir uns in der Tat umfassend mit der Thematik befasst haben. Um das von Ihnen angebrachte Argument ("nie draußen sein") aufzugreifen: Der Ausschuss Medizinstudierende - der im Übrigen noch nie von Kliniken instrumentalisiert worden ist - hat sich bereits im Frühjahr 2011 dafür ausgesprochen, eine der vier Famulaturen obligat beim Hausarzt zu absolvieren. Hier bietet sich die günstige Gelegenheit für die Vertreter der Allgemeinmedizin sich dem potentiellen Nachwuchs zu präsentieren. Studierende zu etwas zu zwingen, wird keinesfalls zu mehr Hausärzten führen.
Deshalb kann ich nur den Text aus obigem Artikel wiederholen, es geht hier nicht um eine Diskreditierung der Allgemeinmedizin. Im Gegenteil, sie ist ein wichtiger Baustein unseres Gesundheitssystems.
Die Idee hinter der Verpflichtung ist hier aber nicht die Ausbildung, eben das ist der Fehler.
Es grüßt,

HERR Kristian Otte

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