Arzneiberatung

Studie kommt zu frustrierendem Ergebnis

Wie lässt sich die Zahl der Senioren verringern, die ein potenziell inadäquates Medikament bekommen? Selbst eine gezielte Schulung von Hausärzten und Praxisteams führt nur zu mäßigen Erfolgen, haben Wissenschaftler ermittelt.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Eine Ärztin bespricht mit ihrer Patientin deren umfangreiche Medikation.

Eine Ärztin bespricht mit ihrer Patientin deren umfangreiche Medikation.

© Ocskay Mark / Fotolia.com

NEU-ISENBURG. Die Schulung von Hausärzten kann eine inadäquate Medikation älterer Patienten nicht wesentlich verbessern. Das ist das Ergebnis einer dreijährigen, vom Bund geförderten Studie namens RIME ("Reduction of potentially Inappropriate Medication in the Elderly").

138 Hausärzte und 1138 Patienten nahmen an der Studie teil. Während einer Hausarzt-Gruppe lediglich ein Fortbildungsangebot zu allgemeinen Themen der Arzneimitteltherapie bei Älteren angeboten wurde, erhielt die zweite Gruppe ein gezieltes und vielschichtiges Angebot. Neben einer modifizierten Priscus-Liste gab es für sie eine CME-zertifizierte Fortbildung, darüber hinaus wurde Schulungsmaterial in Form einer Priscus-Karte mit zusätzlicher Beschreibung bereitgestellt. Die Mediziner erhielten außerdem das Angebot, einen erfahrenen und im Thema speziell geschulten Hausarztkollegen zu Fallbesprechungen hinzuzuziehen. Auch eine Telefon-Hotline für Fragen war Bestandteil des Interventionspakets. Die Forscher interessierten sich auch dafür, ob es einen Unterschied macht, wenn auch die Praxismitarbeiter für das Thema sensibilisiert werden.

Die Senioren, die an der Studie teilnahmen, waren im Durchschnitt 77,5 Jahre alt, die Hälfte von ihnen weiblich. Alle wurden über ein Jahr beobachtet und mehrfach nach ihrer Medikamentenversorgung befragt. "Zu Beginn wurde durchschnittlich bei 39,8 Prozent der Probanden pro Praxis festgestellt, dass zumindest ein Medikament als potenziell inadäquat zu werten ist", heißt es vonseiten der Studienautoren. Zu diesen Präparaten hätten Kardiaka sowie Antidepressiva gehört.

Die Ergebnisse jedoch waren enttäuschend: "Ein Jahr nach Studieneinschluss war der Anteil von Patienten mit potenziell inadäquater Medikation in beiden Interventionsgruppen gleich", heißt es in der Abschlussbetrachtung der Studie. Numerisch sei der Anteil in der Interventionsgruppe gegenüber der Hausarztgruppe mit allgemeiner Schulung nur um 2,3 Prozent gesunken. "In der Studienplanung sind wir von neun Prozent ausgegangen", berichtet Studienkoordinator Dr. Ulrich Thiem, Chefarzt der Klinik für Geriatrie im Geriatrie-Zentrum Haus Berge in Essen. Auch bei typischen Folgen wie Stürzen, Krankenhausaufenthalten oder beeinträchtigter Lebensqualität habe es keine signifikanten Unterschiede gegeben.

Tendenziell scheint der Gedanke, das ganze Praxisteam zu schulen, vielversprechend zu sein. "Aber mit einer Differenz von 4,3 Prozent zwischen den beiden Gruppen ist auch dieser Unterschied nicht statistisch signifikant", so Thiem. Die Intervention in der RIME-Studie sei offensichtlich zu schwach gewesen.

Zum Vergleich lohne sich ein Blick ins Ausland: "Zum Beispiel konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass sich der Antibiotikaverbrauch durch ein Benchmarking-System der Arztpraxen verringern lässt", so Thiem – dies könne ein nachahmenswerter Ansatz sein.

Was Deutschland betrifft, sieht der Studienleiter den Spielball nun im Feld der Forschung und bei den Praktikern, "die uns aufzeigen müssen, was in ihrer Verschreibungspraxis konkrete Hemmnisse und Probleme sind."

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