Südwesten: PNP-Vertrag kämpft sich ans Quorum heran

Kasse und Verbände müssen bei Neurologen, Psychiatern und Psychotherapeuten für die Teilnahme werben - sonst kann der Vertrag nicht starten.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Dr. Werner Baumgärtner, Chef des Medi-Verbunds: "Der gefühlte Fallwert ist oft nicht der tatsächliche Fallwert".

Dr. Werner Baumgärtner, Chef des Medi-Verbunds: "Der gefühlte Fallwert ist oft nicht der tatsächliche Fallwert".

© rudel

STUTTGART. Der neue Selektivvertrag von AOK Baden-Württemberg und Bosch BKK, Medi und weiteren Fachverbänden findet langsamer Akzeptanz, als ursprünglich von den Initiatoren erhofft.

Der im Oktober 2011 geschlossene PNP-Vertrag, der Psychiater, Neurologen und Psychotherapeuten umfasst, muss erst ein Teilnehmerquorum erreichen, bevor er tatsächlich starten kann. Mitmachen müssen landesweit 180 Neurologen, 220 Psychiater und 450 Psychotherapeuten.

Doch diese Hürde ist bisher nur teilweise genommen, berichtet Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner der "Ärzte Zeitung": "Wir hoffen, dass wir in der Psychotherapie in der ersten Februar-Woche das Quorum schaffen." Bei den Fachärzten liege die Beteiligung noch unter 50 Prozent. Hier würden vermutlich erst im zweiten Quartal die nötigen Teilnehmerzahlen erreicht, so Baumgärtner.

Vergütungsregeln wurden nochmals angepasst

Auch vor diesem Hintergrund haben die Vertragspartner Ende 2011 einige Vergütungsregelungen nachjustiert, so etwa bei Neurologen und Psychiatern. Diese konnten im KV-System einen Anstieg ihrer Fallwerte um durchschnittlich 25 Prozent im Vergleich zu 2010 verbuchen.

Der PNP-Vertrag war aber basierend auf den Fallwerten von 2010 verhandelt worden. "Deshalb mussten wir darauf reagieren und arbeiten an weiteren Verbesserungen", so Baumgärtner.

Erleichterungen wurden nachträglich auch für Psychotherapie vereinbart. Ein Beispiel: Bislang hat der Vertrag bei der Vergütung der Akutpsychotherapie mit 105 Euro eine Mindestzahl von 55 Einheiten im Quartal vorgesehen. Dieser Wert wird nun in der Anlaufphase deutlich gesenkt, und zwar auf 22 Einheiten im ersten Vertragsquartal, 33 Einheiten im zweiten und 44 Einheiten im dritten Vertragsquartal.

Viele Diskussionen mit Ärzten an der Basis drehten sich darum, ob die Vergütung im PNP-Vertrag tatsächlich attraktiver ist als im KV-System, berichtet der Medi-Chef. Er stelle dabei immer wieder fest, "dass der ‚gefühlte Fallwert‘ bei vielen Ärzten ein anderer ist als der tatsächliche, der oft nicht gekannt wird".

 "Alle Hebel in Bewegung setzen"

Ein anderer Dauerbrenner bei Veranstaltungen zum Vertrag sei die EDV. Die IT-Firmen ließen sich den Aufwand für relativ wenige Vertragspraxen nun einmal bezahlen, meint Baumgärtner. In der Psychotherapie müssten Teilnehmer mit Kosten von 50 bis 70 Euro pro Monat für die IT-Lösung rechnen, bei Ärzten seien es 100 bis 130 Euro.

In einem Rundschreiben kündigte Baumgärtner an, er werde "alle Hebel in Bewegung setzen", damit wenigstens ein EDV-Anbieter Ärzten ein besseres Angebot mache.

Im Werben für den Vertrag hat der Medi-Chef in den meisten Fällen "Déjà-vu-Erlebnisse": 90 Prozent der Fragen "haben wir seit 2008 bereits mit den Hausärzten debattiert".

Verwundert zeigt sich Baumgärtner, dass die versorgungspolitische Dimension des Vertrags nicht wahrgenommen wird. Schließlich böten Medi und die anderen Partner "mit dem Vertrag Fachärzten eine Zukunftssicherung der Praxen in Konkurrenz zum Krankenhaus". Das Versorgungsnetz aus Haus- und Facharztverträgen, das in Baden-Württemberg aufgebaut wird, setze dezidiert auf Praxen, erinnerte Baumgärtner.

Sprechende Medizin ohne Mengenbegrenzung

Der PNP-Vertrag, erklärt der Medi-Chef in einem Rundschreiben, biete etwa in der Psychotherapie "deutliche Verbesserungen, zum Beispiel die Anerkennung und Bezahlung neuer Therapie-Richtungen".

"Überragende Bedeutung" hat für ihn, dass die Sprechende Medizin erstmals ohne Mengenbegrenzung bezahlt werde. "Das haben wir an anderer Stelle noch nie erreicht." Ab dem dritten oder vierten Quartal könnten auch Patienten von den Vorteilen des Vertrags profitieren, hofft Baumgärtner.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: a) Verlauf einer Gruppe unbehandelter Personen, b) 5-Jahres-Daten der SUNFISH-Studie Teil1, c) Teil2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Therapie der 5q-assoziierten SMA

Risdiplam-Filmtabletten: flexiblere Anwendung im Alltag

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Lesetipps
Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Patient mit Hypoglykämie, der seinen Blutzuckerspiegel mit einem kontinuierlichen Blutzuckermesssensor und einer Smartphone-App überwacht.

© martenaba / stock.adobe.com

Trotz Schulung

Die wenigsten Diabetes-Patienten reagieren adäquat auf Hypoglykämie