Gewerkschaften

Tarifeinheit und Grundgesetz sind schwer zu vereinbaren

Innenminister Thomas de Maiziére kündigt bei der Suche nach einer gesetzlichen Neuregelung der Tarifeinheit eine verfassungskonforme Lösung an.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) spricht am 06.01.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf der Jahrestagung des Beamtenbundes (dbb).

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) spricht am 06.01.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf der Jahrestagung des Beamtenbundes (dbb).

© Oliver Berg / dpa

KÖLN. Die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit steht für die große Koalition auf der politischen Tagesordnung. Daran lässt Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) keinen Zweifel.

Verfassungsrechtliche Bedenken von Berufsgewerkschaften wie dem Marburger Bund wies de Maiziére am Montag in seiner Rede auf der Jahrestagung des Beamtenbundes (dbb) in Köln zurück.

Der Koalitionsvertrag sehe die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit vor. Er sage aber auch, "dass wir Verfahrensregeln schaffen sollen, die unserer Verfassung Rechnung tragen".

"Das Verfassungsministerium ist sich dieser Aufgabe bewusst, seien Sie sicher", so der Minister in Köln.

Zuvor hatte der dbb-Vorsitzende Klaus Dauderstädt das Vorhaben der neuen Regierung, die Tarifeinheit in großen Betrieben gesetzlich regeln zu wollen, scharf kritisiert und einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht angekündigt.

"Verehrte Bundestagsabgeordnete, lassen Sie also ab von solchen unkeuschen Gedanken, Tarifeinheit per Gesetz herstellen zu wollen. Das ist und bleibt allein Sache der Sozialpartner. Und wenn Ihr nicht auf uns hört, werden wir Euch diese Botschaft in kürzester Zeit aus Karlsruhe ‚Im Namen des Volkes‘ zurufen können", sagte Dauderstädt.

Große Gewerkschaften garantieren nicht weniger Streiks

Der Beamtenbund sieht, wie die meisten Spartengewerkschaften auch, keinerlei Grund, in die Tarifautonomie der Sozialpartner einzugreifen. Die Streikbilanz sei im Vergleich zu anderen Ländern überschaubar.

Deutschland leide nicht unter gnadenlos und permanent geführten Arbeitskämpfen kleiner Gewerkschaften, die Wirtschaft und Bevölkerung quälten und lahmlegten.

Eine Analyse der Streiks an Flughäfen zeige zudem, dass hier zum Beispiel nicht die Pilotenvereinigung Cockpit besonders aufgefallen wäre, sondern überwiegend Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Arbeit niedergelegt hätten.

"Nicht mit allen Mitgliedern, sondern in unterschiedlichen Sektoren." Große Gewerkschaften böten also "keine Garantie gegen nacheinander erfolgende Streiks in Teilbereichen".

Völlig unklar sei auch, was "betriebsbezogenes Mehrheitsprinzip" bedeute, mit dem Union und SPD laut Koalitionsvertrag den "Tarifpluralismus in geordnete Bahnen lenken" wollten, kritisierte Dauderstädt.

Wer definiere, was eine Betrieb sei? Es seien doch die Arbeitgeber, "die nach dem Prinzip ‚Teile und herrsche‘ Strukturen auflösen, neu ordnen, teilen, unterteilen und frühere Flächentarifverträge erledigen", so der dbb-Vorsitzende.

Könne etwa der Arbeitgeber durch Definition des Geltungsbereiches des Tarifvertrages oder durch Umorganisation sich aussuchen, mit welcher Gewerkschaft er lieber verhandele?

Online-Petition bereits 30.000 mal gezeichnet

Dauderstädt fragte auch, was denn die "flankierenden Verfahrensregelungen sein sollen, mit denen verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen werden sollten?

Artikel 9 des Grundgesetzes garantiere schließlich die Koalitionsfreiheit. "Das gibt eine spannende Auseinandersetzung in Karlsruhe zwischen Art. 9 GG und der Ergänzung", so Dauderstädt.

Welcher Arbeitnehmer wolle schon einer Gewerkschaft angehören, die keinen Einfluss auf seine Arbeitsbedingungen nehmen dürfe.

Der Gesetzgeber greife mittelbar in ein wesentliches Grundrecht ein, das die Existenz mancher Gewerkschaft gefährden könne. Es sei kaum vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht dabei mitspiele.

Bei den Berufsgewerkschaften regt sich gegen die geplante gesetzliche Neuregelung erheblicher Widerstand.

Für Ärzte könnte sie eventuell bedeuten, dass der Marburger Bund kaum noch neue arztspezifische Tarifverträge mehr abschließen dürfte, weil die MB-Mitglieder in den meisten Krankenhäusern nicht den größten Teil der gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter bilden.

Die vom Marburger Bund initiierte Online-Petition "Rettet die Gewerkschaftsfreiheit" haben seit Ende November fast 30.000 Unterstützer gezeichnet.

Ziel ist es, innerhalb eines halben Jahres 50.000 Unterschriften gegen eine gesetzliche Neuregelung zur Tarifeinheit zu sammeln.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: (Alb-)Traum Tarifeinheit

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