Robotik in der Pflege

Assistenz-Systeme auf Kassenkosten?

Digitale Helfer können den Umzug ins Heim hinauszögern. Zwei Fragen müssen vorab geklärt werden: Wer bezahlt? Und wie erleben alte Menschen den Technikeinzug zu Hause?

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Berlin. Es müssen ja nicht gleich Roboter sein. Fürs erste könnten auch einfachere Systeme älteren Menschen das Leben zu Hause leichter machen. Dafür bezahlen die Kassen aber nicht. Ein aktuelles Gutachten zeigt, dass es anders gehen könnte.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht sich in der Pflicht, für die stetig größer werdende Gruppe älterer, gehandicapter, aber mit dem Willen zum autonomen Leben ausgestatteten Verbraucher einzutreten. „Die Potenziale der Digitalisierung in der Pflege werden nur unzureichend ausgenutzt“, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller.

Kein Wille, Hilfsmittelverzeichnis zu aktualisieren

Die Gründe dafür finden sich nach Meinung der Verbraucherschützer in der Sozialgesetzgebung. Es gebe einen „eklatanten politischen Mangel“, das Hilfsmittelverzeichnis auf den neuesten Stand zu bringen. Ohne Diskussion erstattungsfähig sind demnach heute lediglich der weitverbreitete Hausnotruf und ein mit wenigen Funktionen ausgestattetes Pflegebett.

Gleichwohl hat sich der Markt für Produkte des „Active Assisted Living“ oder „Ambient Assisted Living“ verbreitert. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat daher ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Erstattungsfähigkeit weiterer Produkte wie zum Beispiel Sturzerkennungssysteme, Wendebetten, Erinnerungsfunktionen für die Medikamentenein- und die Nahrungsaufnahme.

Erstattungsfähig?

  • Folgende Assistenzsysteme hält ein Gutachten im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband für erstattungsfähig:
  • Wendebett, Ortungssystem mit integriertem Notruf, Sturzerkennungssystem, automatische Abschaltvorrichtungen für Haushaltsgeräte, digitale Erinnerung an Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.

Die Lösung scheint einfach. Mit einem Zusatz zum Paragrafen 40 SGB V, der die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation regelt, ließe sich diese Lücke schließen, sagt Gutachter Professor Christian Dierks.

Dazu müsse folgender Passus eingefügt werden: „Zu den Pflegehilfsmitteln (…) zählen zudem solche technischen Hilfsmittel, auch wenn sie als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind, sofern diese einen pflegerischen Nutzen aufweisen, insbesondere durch die Verbesserung der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen im Hinblick auf die in Paragraf 14 Absatz 2 und Absatz 3 SGB XI genannten Lebensbereiche oder der Erleichterung der Pflege.“ Damit würde den Kassen das Argument genommen, bei den in Frage stehenden Assistenzsystemen handele es sich um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.

Nutzen der neuen Angebote meist unklar

Die Frage, ob Assistenzsysteme das Leben ihrer Nutzer tatsächlich vollumfänglich verbessern, ist noch nicht abschließend beantwortet. Es sei nicht klar, wie alte Menschen neue Angebote der Medizintechnik in ihrem Wohnbereich erlebten, hat die österreichische Bioethikkommission in einer Stellungnahme vor drei Jahren festgestellt.

Auch Gutachter Dierks räumt ein, dass Vorbehalte gegenüber Assistenzsystemen auch aus bislang fehlenden Nutzennachweisen erwachsen. Abhilfe schaffen könne die systematische Erforschung der Produktnutzen, an der die pflegebedürftigen Menschen selbst mitwirken sollten. (af)

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