Teuer und nutzlos: Kassen attackieren Hausarztverträge

Bayern bleibt das Epizentrum des Streits um Hausarztverträge: Erst vor kurzem wurde der neue Vertrag mit der AOK und den Ersatzkassen geschiedst - jetzt gehen die Kassen gegen ihn vor Gericht.

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Weider ein Fall fürs Gericht: Der Hausarztvertrag in Bayern.

Weider ein Fall fürs Gericht: Der Hausarztvertrag in Bayern.

© kpa-Royal

MÜNCHEN (fst/sto). AOK und die Ersatzkassen in Bayern - außer der TK - stellen die durch das Schiedsamt festgelegten Hausarztverträge zur Disposition.

Die Klage ist noch nicht erhoben, werde aber vermutlich bald beim Sozialgericht München eingereicht, sagte der Sprecher des Ersatzkassenverbands Dr. Sergej Saizew der "Ärzte Zeitung".

Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV), Dr. Dieter Geis, hat die Klagen als skandalös bezeichnet. Der Vorgang sei angesichts der Milliardenüberschüsse der Kassen nicht nachvollziehbar.

Die Klagen von AOK und Ersatzkassen gegen die Verträge, die zum 1. Juli in Kraft treten, haben keine aufschiebende Wirkung, betonte Geis.

Dies bestätigte Saizew: "Die Klage hat für die Versicherten keine Auswirkungen."Eine Verhandlungslösung sei nicht mehr möglich, die Klage daher ein "normaler Vorgang", so der vdek-Sprecher.

Grundsatz der Beitragsstabilität nicht beachtet?

Der vdek hält den Vertrag in drei Punkten für nicht rechtskonform.

Erstens hat die Schiedsperson, Professor Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg, festgelegt, dass der Hausarztvertrag nach altem Recht gilt.

Damit kann der Fallwert höher sein als in der Regelversorgung, und zwar ohne, dass diese Mehrausgaben an anderer Stelle im Vertrag kompensiert werden müssen.

AOK und Ersatzkassen dagegen sind der Ansicht, dass für den neuen Hausarztvertrag die Sparklausel in Paragraf 73 b Absatz 5a gilt: Danach ist in allen Hausarztverträgen, die nach dem 22. September 2010 geschlossen wurden, der Grundsatz der Beitragsstabilität zu beachten.

Konkret darf der durchschnittliche Fallwert nicht höher sein als in der Regelversorgung. Bayerns Hausärzteverbands-Chef Dr. Dieter Geis hatte erklärt, der Fallwert im neuen AOK-Vertrag liege "mindestens 15 bis 20 Prozent" über dem Fallwert von etwa 55 Euro im KV-System.

Appell an die Versicherten

Zweitens wehren sich die Ersatzkassen dagegen, dass Versicherte, die am alten Hausarztvertrag teilgenommen haben, sich nicht neu einschreiben müssen. Schweigen könne nicht als Zustimmung gewertet werden, monierte vdek-Sprecher Saizew.

Drittens erkennen die Ersatzkassen bei Mehrkosten von 30 Prozent nach eigenen Angaben keinen Mehrwert in den Hausarztverträgen. Allerdings hat Kingreen im Schieds-Vertrag, anders als in der alten HzV, die Betreuung von chronisch Kranken und alten Patienten in den Fokus gerückt.

Auch die AOK Bayern sieht im Schiedsspruch zur HzV "wichtige Rechtsfragen ungeklärt". Welche das sind, wollte Sprecher Michael Leonhart auf Anfrage nicht mitteilen.

Man habe auf den Versuch verzichtet, den Vertrag per einstweiligem Rechtsschutz zu stoppen. Nun setzt die AOK darauf, "dass auch seitens der Ärzteschaft die Bereitschaft zu kooperativem Vorgehen besteht."

BHÄV-Chef Geis appellierte an die Versicherten, sich weiter in die Verträge einzuschreiben, um in den Genuss der besonderen hausärztlichen Versorgung zu kommen.

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