Arznei ohne Zusatznutzen

Therapiefreiheit sichern!

Mit einem Argumentationspapier wendet sich der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) gegen Verordnungseinschränkungen bei Arzneien ohne Zusatznutzen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN. Bei 37 Prozent der bewerteten Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen hat der Gemeinsame Bundesausschuss keinen Zusatznutzen anerkannt. Bei weiteren 31 Prozent wurden Patientenpopulationen identifiziert, für die ein Zusatznutzen – nach den Regeln von GBA und IQWiG – als nicht nachgewiesen angesehen wurde. Das, so der vfa, beschneide jedoch nicht die Verordnungsfähigkeit dieser Arzneimittel und damit die Therapiefreiheit der Ärzte.

Hintergrund ist die AMNOG-Novelle: Sie sieht eine Regelung vor, mit der bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen deren Verordnungsfähigkeit eingeschränkt werden kann. Dagegen argumentiert der vfa – abgestützt auf Leitlinien der Fachgesellschaften –, dass aus der Perspektive von Ärzten deren Handlungsoptionen nicht begrenzt werden sollten.

"Es wäre unverantwortlich, Medikamente ohne Zusatznutzen als schlechte Medikamente zu diskriminieren und das AMNOG so umzugestalten, dass ihre Verordnungsfähigkeit eingeschränkt werden würde", heißt es.

Therapiezufriedenheit spielt keine Rolle

Beispiel Multiple Sklerose: In diesem Indikationsgebiet hat der Bundesausschuss fünf Wirkstoffe bewertet, mit Ausnahme von Fingolimod wurde kein Nachweis eines Zusatznutzens anerkannt. Patienten- und praxisrelevante Aspekte wie eine verbesserte Darreichungsform oder die Therapiezufriedenheit seien bei der Bewertung unberücksichtigt geblieben.

Unabhängig von der GBA-Bewertung wird jedoch von den Fachgesellschaften am Nutzen dieser neuen Behandlungsalternativen nicht gezweifelt, sie werden in der DGN-Leitlinie empfohlen. Dimethylfumarat beispielsweise sei die erste orale Option in der Erstlinientherapie bei milden und moderaten Verläufen der RRMS.

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei bei der Zulassung als gleichwertig zu den injizierbaren Medikamenten angesehen worden. Die große Akzeptanz bei Ärzten und Patienten lasse sich auch an den hohen Verordnungszahlen ablesen. Bei der Bewertung durch den GBA habe die Darreichungsform keine Rolle gespielt.

Auch Onkologie ist betroffen

Ein anderes Beispiel ist Epilepsie. Für Perampanel anerkannte der GBA aus formalen Gründen keinen nachgewiesenen Zusatznutzen. Die Zulassung dieses Arzneimittels wurde allerdings auch vor dem Hintergrund erteilt, dass Ärzte weitere neue Behandlungsoptionen benötigten, da mit dem vorhandenen Arsenal bei einem Teil der Patienten keine Anfallsfreiheit erreicht werden konnte. Die medizinische Fachgesellschaft habe den Patientennutzen der neuen Behandlungsalternative anerkannt und Perampanel in die Leitlinie aufgenommen.

Ähnliche Fälle existieren in der Onkologie. Das gilt etwa für das unter "besonderen Bedingungen" zugelassene Ceritinib für Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, die mit Crizotinib vorbehandelt wurden.

Für diese Patienten habe bislang keine sinnvolle Behandlungsoption bestanden. Während der GBA aus formalen Gründen keinen Zusatznutzen zuerkannt habe, sehen Fachgesellschaften eine alternativlose Therapie.

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