Ein Jahr Strukturreform

Trendwende bei der Organspende?

Mit der Reform der Strukturen der Organspende vor einem Jahr hat Gesundheitsminister Jens Spahn die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken gestärkt. Aber führt das automatisch zu höheren Spenderzahlen?

Von Christian Beneker Veröffentlicht:
Organtransplantation: 2019 haben die Kliniken deutlich mehr Spender gemeldet.

Organtransplantation: 2019 haben die Kliniken deutlich mehr Spender gemeldet.

© Mathias Ernert, Universitätsklinikum Heidelberg

Bremen. Seit über einem Jahr gilt das „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ – kurz GZSO. Auf die Spenderzahlen hat sich die Änderung des Transplantationsgesetzes vom 1. April 2019 allerdings in seinem Startjahr nicht positiv ausgewirkt.

Das zeigen die Zahlen des Jahresberichts 2019 der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). So sank 2019 die Zahl der postmortal gespendeten Organe im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent auf 2995 Organe und die Zahl der postmortalen Spender um 2,4 Prozent auf 932 Spenderinnen und Spender im Jahr 2019.

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Im ersten Quartal 2020 allerdings stiegen die beiden Werte. „Es zeigt sich bisher keine Steigerung der Spenderzahlen im Jahr 2019“, betont Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. „Im Januar und Februar 2020 hatten wir aber 41 Spender mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019, das ist eine Steigerung von 29,3 Prozent.“ Im März 2020 sank die Zahl der Spender jedoch wieder – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 84 auf 79.

Dabei haben die Transplantationsbeauftragten der 1238 Entnahmekrankenhäuser mit dem neuen Gesetz deutlich mehr Rechte erhalten – zum Beispiel eine bundesweit einheitliche und refinanzierte Freistellungsregelung von 0,1 Stellen je zehn Intensivbetten in den Entnahmekrankenhäusern, sowie ein Recht auf die Informationen zur Auswertung des Spenderpotenzials oder den Zugang zu den Intensivstationen.

Außerdem müssen die Klinikleitungen die Verfahrensanweisungen umsetzen, die vom Transplantationsbeauftragten vorgegeben wurden.

Umsetzung braucht Zeit

DSO-Vorstand Rahmel wundern die Zahlen nicht. „Die Beauftragten müssen erst benannt, geschult und bezahlt werden. Die entsprechenden Prozesse brauchen Zeit“, erklärt er die Lage. Aber er erkennt auch Fortschritte: „Wir sehen, dass Transplantationsbeauftrage sich viel häufiger an uns wenden, um über potenzielle Spender zu sprechen als noch vor einem Jahr.“

Die Zahl der organspendebezogenen Kontakte mit den Krankenhäusern habe sich von 2018 auf 2019 um 7 Prozent auf 3023 erhöht (siehe nachfolgende Grafik). Allein von Januar bis Oktober lag sie schon bei 2522 (Vorjahreszeitraum 2341). „Unser Eindruck ist auch, dass in den Kliniken auch neue Verfahrensanweisungen entstanden sind, die die Transplantationsbeauftragten unterstützen“, so Rahmel.

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Auch Dr. Gero Frings, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Transplantationsbeauftragten in NRW e.V. (AG TXB NRW e.V.), sieht die Arbeit der Transplantationsbeauftragten auf einem guten Weg – aber mit Luft nach oben. Zwar hätten 17 Institutionen wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation, die Bundesärztekammer oder die Krankenversicherungsverbände im gemeinschaftlichen Initiativplan Organspende Vorschläge vorgelegt, etwa wie die Ausbildung der Transplantationsbeauftragten harmonisiert werden könne.

Kleine Kliniken im Fokus

Frings denkt aber an weitergehende Maßnahmen. „Die Fortbildung der Transplantationsbeauftragten sollte bundesweit vereinheitlicht werden, auch um für die Transplantationsbeauftragten eine höhere Durchlässigkeit der DSO-Regionen und Kammerbereiche zu erzielen.“

Darüber hinaus sollte es in jedem Kammerbereich eine Arbeitsgemeinschaft der Transplantationsbeauftragten geben und eine Art Bundesversammlung, schlägt er vor. „Dann hätten wir als Transplantationsbeauftragte eine Grundstruktur.“

Im Mittelpunkt der Bemühungen stünden die kleineren Entnahmekliniken. Frings rechnet hier mit ein bis zwei potenziellen Organspendern pro Klinik und Jahr. „Die Aufgabe der Transplantationsbeauftragten ist klar: Vor allem in den kleineren Krankenhäusern die potenziellen Spender erkennen.

Bedenke man die große Menge der kleineren Entnahmekliniken, sei hier ein „gewaltiges Potenzial“ zu heben. „Und ich würde mir wünschen, dass es an den großen Häusern eine Selbstverständlichkeit wird, dass die Transplantationsbeauftragten auch zur Unterstützung der kleineren Häuser parat stehen“, sagt Frings. „Das betrifft auch die Hirntoddiagnostik. Da müssen wir die Strukturen verbessern.“

DTG-Chef eher skeptisch

Professor Bernhard Banas, Vorsitzender der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG), sieht in den jüngsten Spender-Zahlen keinen Trend, sondern er hält sie für schwankungs-bedingt und damit auch nicht für besonders aussagekräftig, was die Arbeit der Transplantationsbeauftragten angeht.

„Bei jährlich 950.000 Toten und damit 2500 am Tag zählt man in Deutschland durchschnittlich zwei bis drei Spender am Tag. Das ist schon lange so“, sagt Banas. „Ein relevanter Trend wäre es, wenn wir hier das Dreifache oder – wie in Spanien – das Fünffache erreichen würden.“

„Kultur pro Organspende“ wachse heran

Ein tatsächlicher Trend hingegen seien die gestiegenen Zahlen der organspendebezogenen Kontakte der Kliniken mit der DSO, sagt Banas. Daran erkenne man, dass die „Kultur pro Organspende“ heranwachse, wie etwa in Spanien. „Dort hat sich die Gesellschaft vorgenommen, durch Transplantationen Leben zu retten, da ist die Frage nach der Transplantation am Lebensende etwas Selbstverständliches“, sagt Banas.

„In Deutschland ist eine Transplantation immer noch das Zusammentreffen mehrerer besonders heroischer Einzelfall-Entscheidungen.“ Deshalb glaubt er, Transplantationsbeauftragte hin oder her: „In zehn Jahren werden wir immer noch da stehen, wo wir heute stehen.“

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