Montgomery im Interview

"Viele Krankenhäuser sehen katastrophal aus"

Investitionsstau in Kliniken, die Organisation der Weiterbildung in der ambulanten Medizin, Defizite im Öffentlichen Gesundheitsdienst: Eine Vorschau auf den Ärztetag mit BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery.

Veröffentlicht:
BÄK-Präsident Montgomery hat ein düsteres Bild von den Zuständen in deutschen Krankenhäusern gezeichnet.

BÄK-Präsident Montgomery hat ein düsteres Bild von den Zuständen in deutschen Krankenhäusern gezeichnet.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Ärzte Zeitung: Herr Professor Montgomery, Sie beklagen eine Unterfinanzierung von Investitionen und Modernisierung in Krankenhäusern. Wie wirkt sich das im Arbeitsalltag Ihrer Kollegen aus?

Professor Frank Ulrich Montgomery: Sie haben nicht die neuesten, mitunter sogar veraltete Geräte zur Verfügung. Das kann unter anderem dazu führen, dass moderne Hygienestandards nicht eingehalten werden können. Und viele Krankenhäuser sehen inzwischen so katastrophal aus, dass sich Patienten schon fragen, ob unter diesen Bedingungen eine ordnungsgemäße hochwertige Medizin möglich ist. Und für leitende Ärzte ist es häufig schwierig, die Beschaffungsprozesse zu organisieren - vor allem bei kommunalen und staatlichen Kliniken. Das ist oft langwierig und bürokratisch und frisst Zeit.

Also Verschwendung ärztlicher Arbeitskraft.

Montgomery: Ja, es ist Verschwendung von Zeit bei dem Aufwand, den man für die Bürokratie betreiben muss.

Erneut hat die KBV angemahnt, ambulante Anteile in der Weiterbildung vorzusehen. Wie soll der Ärztetag damit umgehen?

Professor Frank Ulrich Montgomery

Aktuelle Position: seit 2011 Präsident der Bundesärztekammer und Präsident der Ärztekammer Hamburg.

Ausbildung: Montgomery, Jahrgang 1952, studierte in Hamburg und Sydney Medizin, 1979 Approbation, bis 1986 Weiterbildung zum Radiologen, Oberarzt an der Uni Hamburg-Eppendorf.

Karriere: 1987 bis 2006 Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer, seit 2007 Vizepräsident, seit 2011 Präsident. 1989 bis 2007 Vorsitzender des Marburger Bundes.

Montgomery: Ganz so habe ich das aus der Pressekonferenz der KBV vom Dienstag nicht gehört. Vielmehr gibt es ein Bekenntnis zum Beschluss des Ärztetages von 2013: Danach haben die Kammern die Kompetenz für die Weiterbildung und die KBV die Verantwortung für die Finanzierung ambulanter Anteile. Dazu hat die KBV Vorschläge gemacht. Aber eine nachhaltige, gesetzlich abgesicherte Finanzierung erfolgt bislang nicht. Darüber wird man in aller Ruhe ganz sachlich debattieren.

Wie sollten sich Arbeitgeber in der ambulanten Medizin - also überwiegend freiberuflich tätige Praxisinhaber - organisieren, damit sie faire Arbeitsbedingungen für Ärzte in der Weiterbildung garantieren können?

Montgomery: Die niedergelassenen Ärzte tun sich schwer damit, eine geeignete Organisationsform zu finden. Das ist sogar nachvollziehbar. Es gibt eben keine einfache Arbeitgeberorganisation der niedergelassenen Ärzte. Am besten wäre es, wenn sich die Verbände, die vorwiegend niedergelassene Ärzte organisieren, zu einer Tarifgemeinschaft zusammenschlössen, die mit dem Marburger Bund verhandeln könnte.

Der Ärztetag wird sich auch mit der Situation des öffentlichen Gesundheitsdienstes beschäftigen. Wo sehen Sie hier die großen Defizite?

Montgomery: Einerseits bekommt der Gesundheitsdienst immer mehr Aufgaben übertragen. Andererseits hat er durch ungünstige Tarifbedingungen, die deutlich schlechter sind als die der Krankenhausärzte, Nachwuchsprobleme. Das größte Problem ist, dass die Schere zwischen zunehmenden Aufgaben und abnehmendem Personal immer weiter aufgeht.

Das wäre dann auch ein Widerspruch zu dem Ziel, dass der öffentliche Gesundheitsdienst eine stärkere Rolle bei der Prävention spielen müsste.

Montgomery: So ist es. Wir müssen aufpassen, dass ihm hier nicht Aufgaben übertragen werden, die er schon personell nicht erfüllen kann. Deshalb werden wir bei den Beratungen des angekündigten Präventionsgesetzes sehr darauf achten, dass keine Luftschlösser gebaut werden.

Wen sehen Sie da primär in der Verantwortung?

Montgomery: Prävention geht weit über klassische Gesundheitspolitik hinaus. Beteiligt sind dabei auch Bildungsinstitutionen vom Kindergarten bis zur Universität.

Was in die Verantwortung der Länder fällt...

Montgomery: Richtig. Das SGB V ist als Rahmengesetz nur für die Leistungen der GKV und für den ärztlichen Anteil zuständig. Viele Bereiche der Prävention fallen allerdings in die Kompetenz der Länder. Es wäre gut, wenn wir nach vier Legislaturperioden und vielen Anläufen nun endlich ein vernünftiges Präventionsgesetz bekämen.

Das Interview führte Helmut Laschet

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Gender Pay Gap bleibt konstant

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Dr. Joseph Kuhn 23.05.201408:09 Uhr

Klare Worte

Ulrich Montgomery spricht drei wichtige Punkte an:

1. Die Krankenhäuser in Deutschland leisten viel und viele arbeiten auf hohem fachlichem Niveau. Dennoch steht hier nicht alles zum besten und die Krankenhaushygiene, die er anspricht, ist ein Beispiel. Dass möglicherweise bis zu 30.000 Menschen in Deutschland jährlich durch nosokomiale Infektionen sterben, wie DGKH, GHUP) und BVÖGD 2011 in einer gemeinsamen Stellungnahme geschrieben haben, ist nicht hinnehmbar. Das ist sicher nicht nur den Problemen der Krankenhausfinanzierung geschuldet, aber auch nicht ganz losgelöst davon zu sehen und indem er darauf hinweist, betreibt Ulrich Montgomery keine Nestbeschmutzung, das Nest ist eben stellenweise schmutzig.

2. Ebenso richtig sind seine Einlassungen zu den Problemen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, dessen Bedeutung in Lippenbekenntnissen stets betont wird, der aber in der Stellenausstattung nicht Rechnung getragen wird. Seit vielen Jahren geht das Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst zurück, wichtige Aufgaben können nur noch notdürftig wenn überhaupt wahrgenommen werden.

3. Auch seinem Hinweis darauf, dass Prävention nicht nur ein Thema der Gesundheitspolitik (oder gar der Krankenversicherung) ist, ist nur zuzustimmen. Gesundheit entsteht primär da, wo Menschen arbeiten und leben, beim Arzt werden Krankheiten geheilt.

Allerdings macht es sich Ulrich Montgomery zu einfach, wenn er vor allem auf die Länderverantwortlichkeiten zeigt. Die Ärzteschaft hat an der einen oder anderen Stelle auch vor der eigenen Türe zu kehren, er weiß, wo.

Dr. Richard Barabasch 22.05.201414:59 Uhr

Ja, ja der Herr Kollege Montgomery

Vom Nestbeschmutzer zu sprechen, das geht ja nicht, wo Herr Montgomery ja von "unhaltbar schmutzigen" Zuständen an Deutschen Kliniken schwätzt (das ist badisch und heist: "redet"). Aber, es bleibt dennocjh so ein blödeer Geschmackt nach dem Lesen: sollte er nicht ''mal - durchaus auf Kosten der Bundesärztekammer ! - ''mal ''ne Reise in diese so ungeheuer unerträglichen "Häuser" machen, sich vor Ort ( sowas könnte er ja auch inkognito - ach so, das Schnäuzerle . . ) orientieren und dann nach EIGENER (und nicht "zugetragener") Information und EGENEM Augenschein zu gackern anfangen, NACHDEM er auch dann vor Ort auch mit all denen freilich Kontakt hatte, als Ärztekammerpraäsident, die so ''was Unhaltbares zu verantworten haben/hatten -
und ihm gegenüber auch z.B. verantwortet haben . . . . .,
meint

Richard Barabasch

Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an