Wachsende Multimorbidität - auch in NRW

Nordrhein-Westfalen nimmt die Gesundheitsversorgung unter die Lupe: Im jüngsten Landesgesundheitsbericht wird vor allem die alternde Bevölkerung in den Blick genommen. Ein Ergebnis: Hausärzte sind wichtig.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Eine Erkrankung, eine Arznei? Die Orientierung an Leitlinien birgt Probleme.

Eine Erkrankung, eine Arznei? Die Orientierung an Leitlinien birgt Probleme.

© Gina Sanders/fotolia.com

KÖLN. In Nordrhein-Westfalen litten im Jahr 2010 fast zwei Drittel der über 65-Jährigen an mindestens drei chronischen Krankheiten. Dabei war der Anteil der betroffenen Frauen mit 64,6 Prozent deutlich höher als der der Männer mit 58,5 Prozent.

Die häufigste Krankheits-Kombination bei multimorbiden Patienten war das Zusammentreffen von Hypertonie, Störung des Fettstoffwechsels und chronischem Rückenschmerz.

Das geht aus dem "Landesgesundheitsbericht 2011" hervor, den das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium jüngst vorgelegt hat. Der Bericht - der zweite seiner Art - liefert Daten zur gesundheitlichen Situation der Bevölkerung.

Er umfasst sowohl allgemeine Angaben zu Morbidität und Mortalität als auch Daten zu ausgewählten Krankheitsbildern.

Erfasst werden auch gesundheitspolitische Aspekte wie die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, das Gesundheitsverhalten und die Vorsorge.

"Der Landesgesundheitsbericht ersetzt keine detaillierten Analysen zu den Entwicklungen der Bevölkerungsgesundheit, bietet aber wichtige Anhaltspunkte für prioritäre Handlungsfelder in allen gesundheitsrelevanten Politik- und Forschungsbereichen", schreibt die amtierende Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) im Vorwort.

Deutlich weniger Raucher

Die hohe Zahl der multimorbiden Patienten ist nach Einschätzung der Autoren des Berichts auf eine Reihe von Versorgungsproblemen zurückzuführen.

Dabei nennen sie die Orientierung an Leitlinien, die jeweils nur auf ein Krankheitsbild fokussieren, die mangelnde Kontrolle von Wechsel- und Nebenwirkungen bei der medikamentösen Behandlung verschiedener Erkrankungen, das unabhängige Agieren von Fachspezialisten und die Konzentration der Behandlung auf medizinische Gesichtspunkte unter Vernachlässigung der Lebensqualität.

"Die genannten Probleme lassen unter anderem erkennen, dass es einer koordinierenden Stelle, vorzugsweise in der Person der Hausärztin oder des Hausarztes bedarf, welche die Patientin oder den Patienten begleitet", heißt es im Bericht.

Bei der gesundheitlichen Entwicklung im bevölkerungsreichsten Bundesland heben die Autoren drei besondere Trends hervor.

Dazu zählen die weitere Zunahme der Lebenserwartung, inklusive der Zahl der gesunden Lebensjahre, den Rückgang bei der Zahl der Raucher und die Abnahme der Sterblichkeit bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch verbesserte Diagnostik, Notfallversorgung und Therapie.

Der Landesgesundheitsbericht kann unter www.mgepa.nrw.de/ministerium/service heruntergeladen werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 28.03.201218:49 Uhr

Landes k r a n k h e i t s bericht!

Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung sollte die ihr so wichtigen Hausärzte erst mal fragen, bevor sie die Gesundheitsversorgung in NRW mit einem Landesgesundheitsbericht beschreiben will. Denn es ist mitnichten Gesundheit, sondern es sind die zahlreichen Krankheiten, die uns umtreiben.

Multimorbidität lediglich als das Zusammentreffen von Hypertonie, Störung des Fettstoffwechsels und chronischem Rückenschmerz beschreiben zu wollen ist wahrhaft laienhaft. Denn diese drei Syndrome sind doch nur die Initialzündungen von Koronarer Herzkrankheit (KHK), metabolischem Syndrom mit Typ-2-Diabetes und zunehmender Immobilisierung durch Arthrose und Spondylose. Dazu gesellen sich noch DMP-erfasste chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD) und Asthma bronchiale neben den an Zahl und Bedeutung weiter zunehmenden Krebserkrankungen. Verschiedene Systemkrankheiten wie Rheuma, Kollagenosen bzw. periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) und neurodegenerative Erkrankungen einschließlich Demenz oder die große Gruppe primär seelisch bedingter Leiden kommen noch hinzu.

Aber vielleicht wird ja automatisch alles viel besser in diesem, unseren Lande, wenn Gesundheitspolitiker mit ihrer Gesundheitsberichterstattung fordern werden, alle "Krankenwagen" zukünftig in "Gesundheitswagen" umzutaufen. Wetten, dass wir uns dann gesundheitlich gleich viel besser fühlen würden?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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