Finanzen der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung

Warken will Beitragserhöhungen vermeiden – droht ein „Herbst der Hilflosigkeit“?

Die prekäre Situation der Gesetzlichen Krankenversicherung beschäftigt die Koalition zusehends. In der kommenden Woche will die Gesundheitsministerin mit dem Thema im Haushaltsausschuss aufschlagen.

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Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ist den Deutschen lieb und immer teurer. Die Koalition aus Union und SPD ist auf der Suche nach Geld, um das System zu stützen.

Die Koalition will weiter steigende Lohnnebenkosten 2026 vermeiden. Bundesgesundheitsministerin NIna Warken ließ am Freitag nicht erkennen, mit welchen Instrumenten dies erreicht werden soll.

© Jens Büttner/dpa

Berlin. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat sich hinter die Pläne der Koalition gestellt, den allgemeinen Beitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung stabil zu halten. Bei einem Pressestatement am Freitag vermied sie allerdings eine eindeutige Festlegung.

Der Koalitionsausschuss hatte sich in der Nacht darauf verständigt, den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent vorläufig nicht anzufassen. Gleichwohl fehlen der GKV in der Kranken- und Pflegeversicherung aktuell zusammen rund sechs Milliarden Euro.

Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit Andreas Storm warnte vor einem „Herbst der Hilflosigkeit“, den Versicherte und Arbeitgeber im kommenden Jahr teuer zu bezahlen hätten. Es sei im Moment nicht absehbar, wie bis Oktober eine tragfähige Lösung gefunden werden könne.

Schätzerkreis legt Berechnungen im Oktober vor

Mitte Oktober legt der Schätzerkreis seine Berechnungen der Einnahmen und Ausgaben des Gesundheitsfonds vor, in den zusätzlich zum Steuerzuschuss auch die Beiträge der gesetzlich Versicherten fließen. Aus der Differenz leitet sich die Höhe der kassenindividuellen Zusatzbeiträge ab, über die die Krankenkassen ihren Wettbewerb austragen. Warken merkte am Freitag an, dass der tatsächliche durchschnittliche Zusatzbeitrag seit vergangenem Oktober um 0,4 Punkte auf 2,9 Prozent gestiegen sei. Auf fünf Jahre gerechnet hat sich der Zusatzbeitrag von damals 1,0 Prozent damit fast verdreifacht.

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Wie die Kassen darauf reagierten, könne das Ministerium nicht vorhersehen, sagte Warken. „Unser Ziel ist es, die Beiträge in beiden Systemen zu stabilisieren und eine Beitragserhöhung zu vermeiden“, sagte die Ministerin. Die Kassen brauchen die Ergebnisse des Schätzerkreises zudem, um ihre Haushalte fristgerecht aufstellen zu können.

Anne Kathrin Klemm: Wollen nicht die Buhleute sein

Die Vorständin des BKK Dachverbands Anne-Kathrin Klemm warnte am Freitag vor einem Taschenspielertrick. Spreche die Ministerin nur über den allgemeinen Beitragssatz, betreibe sie Augenwischerei. Die Krankenkassen würden dann zur Anhebung der Zusatzbeiträge gezwungen.

Sie wären dann die „Buhmänner“, die den Beitragszahlenden die Anhebung der Zusatzbeiträge erklären und den darüber ausgelösten Unmut ertragen müssten. „Das wäre absolut unehrlich und politisch verantwortungslos“, warnte Klemm am Freitagnachmittag.

Ob Warken zusätzliche Mittel für GKV und SPV loseisen kann, hängt vom weiteren parlamentarischen Verfahren ab. In der kommenden Woche seien Gespräche mit den Berichterstattern und dem Haushaltsausschuss angesetzt.

Sie wolle auch mit „ihrem Kollegen Finanzminister“ in den Blick nehmen, was möglich sei. Schließlich stünden nicht nur die Sozialversicherungen unter Druck. Der sei im gesamten Haushalt spürbar. Die Zeit drängt: Vom 16. bis 19. September soll der Haushalt im Bundestag abschließend beraten werden.

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Bei den Gesprächen würden auch die sogenannten versicherungsfremden Leistungen Thema sein. „Über diese Hürde muss jeder Reformvorschlag erst einmal kommen“, sagte Warken. Es seien viele Maßnahmen auch zur kurzfristigen Stabilisierung der Kassenfinanzen im Gespräch. Eine davon sei ein Ausgabenmoratorium.

An einer Stelle drückt die Ministerin aufs Tempo. Die Kommission zur Finanzierung der GKV soll ihre Ergebnisse nicht erst 2027, sondern bereits im Frühjahr 2026 vorlegen.

Für das erste Halbjahr vermeldete die Ministerin einen Überschuss der GKV von 2,8 Milliarden Euro. Die würden allerdings zum Auffüllen der auf einen niedrigen Stand gefallenen Rücklagen der Krankenkassen benötigt, sagte Warken am Freitag.

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Niedrige Mehrwertsteuer für die Gastronomie – und für Arzneimittel?

Für den AOK-Bundesverband monierte deren Vorstandsvorsitzende Carola Reimann, dass sich immer noch keine Entlastung für die GKV-Beitragszahler abzeichne. „Das Damoklesschwert der Beitragssatzerhöhungen schwebt weiterhin über der GKV und SPV.“

Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, verwies darauf, dass die Koalition bei der Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie sich handlungsfähig gezeigt habe. „Für das Schnitzel mit Pommes soll bald der reduzierte Satz gelten. Warum geht das nicht auch bei Arzneimitteln?“, fragte Baas. Er bezifferte den Einspareffekt durch eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent auf bis zu sechs Milliarden Euro. (af/fst)

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