Digitale Transformation
GKV-Spitzenverband legt Strategie vor: Wie Krankenkassen digitale Versorgungslotsen werden wollen
Krankenkassen wollen mit einer Digitalisierungstrategie das Gesundheitswesen patientenzentrierter und datengestützter gestalten – und sehen sich in zentraler Rolle. Kritiker warnen vor einseitiger Perspektive, die die Ärzteschaft außen vor lässt.
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Ohne Server funktioniert das Gesundheitssystem zukünftig nichts mehr: Die Krankenkassen wollen Versorgungsdaten in Echtzeit nutzen, um ihre Versicherten zu lotsen.
© Sebastian Gollnow / dpa / pictur
Berlin. Die gesetzlichen Krankenkassen fordern eine digitale Transformation des Gesundheitswesens, die sich konsequent an den Patientinnen und Patienten orientiert – und wollen vor allem ihre digitalen Möglichkeiten erweitern.
Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hat dazu auf seiner jüngsten Sitzung in einem Strategiepapier mit dem Titel „Zukunft gestalten, Versorgung neudenken!“ seine Perspektive formuliert.
Kurzgefasst: Die Kassen wollen als „Lotse“ für die Versicherten auftreten und dafür digitale Daten aus dem Versorgungsalltag nutzen. Die elektronische Patientenakte (ePA) soll „Herzstück eines digitalen Versorgungsökosystems“ werden.
Digitalisierung als Innovationsmotor
Die Verwaltungsratsvorsitzende Dr. Susanne Wagenmann bezeichnete die Digitalisierung als „Innovationsmotor“ und forderte: „Dabei ist eine umfassende digitale Vernetzung das Fundament einer modernen Gesundheitsversorgung und die ePA muss hierfür zur zentralen Plattform weiterentwickelt werden.“ Mit KI-gestützten Analysen und interoperablen Systemen könnten Qualität, Sicherheit und Service verbessert werden.
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Verwaltungsratsvorsitzender Uwe Klemens geht noch einen Schritt weiter und fordert für die Krankenkassen weitergehende gesetzliche Grundlagen, um den Versicherte konkreten Versorgungsangebote machen zu können und sie durch das System zu lotsen. Auf Basis „taggleich übermittelter Daten aus der Versorgung“ wollen die Kassen ihren Versicherten „personalisierte Präventions- und Versorgungsangebote“ machen können.
„Richtige Schlagworte“
Nach Auffassung von Digitalisierungsexpertinnen wie Professorin Sylvia Thun, Direktorin der Core-Unit E-Health und Interoperabilität an der Berliner Charité, enthält das Positionspapier „richtige Schlagworte“ wie Interoperabilität, moderne Dateninfrastruktur, KI-gestützte Versorgung. Zugleich bleibe es an entscheidenen Stellen vage.
Mit Blick auf den Paragrafen 25b SGB V, der für die Kassen durch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz eingeführt wurde, kommentiert Thun aber zugleich kritisch: „Während Krankenkassen künftig Zugriff auf Versorgungsdaten erhalten und sogar eigene Algorithmen entwickeln dürfen, bleiben Ärztinnen und Ärzte von denselben Daten weitgehend ausgeschlossen und dürfen die Algorithmen nicht mitwentwickeln“, sagte sie der Ärzte Zeitung.
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Das gefährde die Balance im Gesundheitssystem. „Eine datengetriebene Versorgung kann nur funktionieren, wenn diejenigen, die Diagnosen stellen und Behandlungen verantworten, auch Zugang zu denselben Wissens- und Entscheidungsgrundlagen haben“, stellt Thun klar.
Mehr strukturierte Daten für die Patientenakte
Die in den Papier geforderte Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) und mehr strukturierte Daten begrüßt Thun ausdrücklich. Das allein genüge aber nicht. „Die Governance darüber, wer welche Daten wie nutzen darf, entscheidet darüber, ob KI künftig ein klinisches Werkzeug oder ein reines Steuerungsinstrument der Kostenträger wird.“
Sie plädiert für eine Sicherung der Datensouveränität und Entscheidungskompetenz der medizinischen Profession in einem Gesundheitswesen, das zunehmend datengetrieben funktioniert. „Wenn wir diesen Punkt nicht klären, laufen wir Gefahr, dass Digitalisierungsfortschritte an den klinischen Realitäten vorbeigehen“, so Thun.
ePA als Dreh- und Angelpunkt
Einigkeit herrscht darin, dass die die zum Oktober als Pflichtanwendung im Gesundheitswesen gestartete ePA ein wichtiges Tool für die Digitalisierung ist. Der GKV-Spitzenverband sieht die ePA als digitalen Dreh- und Angelpunkt für die künftige Versorgung.
Die aufwändigen Identifizierungs- und Authentifizierungsverfahren müssen dafür nutzerfreundlicher gestaltet werden, wird im Strategiepapier gefordert. Mit Künstlicher Intelligenz sollen die Inhalte der ePA einfach durchsuchbar werden.
Digitalstrategie der Krankenkassen
Der GKV-Spitzenverband hat neben einer „Lotsenfunktion“ der Krankenkassen diese Punkte in seinem neuen Digitalpapier formuliert:
- Digitale Ersteinschätzung und Terminvermittlung: Niedrigschwelliger Zugang zur Versorgung durch diskriminierungsfreie, flächendeckende Online-Terminservices und hybride Ersteinschätzungsangebote
- Durchgängige Informationsverfügbarkeit: Vollständige Nutzung der ePA im Versorgungsprozess, ergänzt durch eine digitale eÜberweisung
- ePA als zentrale Plattform: Weiterentwicklung der ePA zum Herzstück eines digitalen Versorgungsökosystems mit nutzerfreundlichem Zugang für Versicherte mit Mehrwertdiensten sowie einfacher und sicherer Datenfreigabeg
- KI-gestützte Datenverarbeitung: Recht zur Anonymisierung und KI-basierten Auswertung von Sozialdaten durch die Krankenkassen
- Direkter Zugang zu Transparenzdaten: Nutzung der Daten aus dem Datentransparenzverfahren durch die GKV ohne Umweg über das FDZ
- Elektronische Verordnung mit verbindlichen Standards: eVerordnungen in allen Versorgungsbereichen
Mehrwertanwendungen auf Basis der ePA wollen die Kassen selber entwickeln und sich damit im Krankenkassenmarkt differenzieren. Die gematik soll den technischen Rahmen wie die Telematikinfrastruktur (TI) und Schnittstellen bieten, eigene Software-Angebote aber nicht verfolgen. Die Kassen sehen das als Wettbewerb.
Verzeichnis für freie Arzttermine
Wichtiger Punkt der Strategieüberlegungen ist auch eine digitale Ersteinschätzung für Patientinnen und Patienten sowie in der Folge digital gestützte Vermittlungen von Arztterminen.
Für ein bundeseinheitliches elektronisches Verzeichnis sollen Vertragsärzte „hierfür einen fachgruppenspezifischen Anteil ihrer GKV-Termine für eine digitale Vermittlung anbieten und an ein bundeseinheitliches, zentrales Terminverzeichnis automatisiert übermitteln“. (gab)







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