Hessen

Warnung vor Kollaps des ÖGD

Gesundheitsämter haben laut Sozialministerium erhebliche Schwierigkeiten offene Stellen zu besetzen.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:

Wiesbaden. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) in Hessen läuft Gefahr, seinen gesetzlichen Aufgaben nicht mehr nachkommen zu können. Auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag hin berichtet das Sozialministerium in Wiesbaden, dass sämtliche 24 Gesundheitsämter im Land erhebliche Schwierigkeiten hätten, offene Stellen zu besetzen. Die konkrete Zahl der Vakanzen liegt dem Ministerium nicht vor. Tatsache ist jedoch den Angaben zufolge, dass „in allen Bereichen inzwischen viele Stellen über längere Zeit nicht besetzt sind, weil sich keine geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten finden“.

Die damit einhergehenden Probleme sind bereits spürbar: So heißt es, dass die Tätigkeit des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes sich vielerorts auf die Schuleingangsuntersuchungen beschränkt – und selbst diese von zwei Ämtern mangels Personals nicht oder nur teilweise geleistet werden können. Die infektionshygienische Überwachung von Arztpraxen und medizinischen Einrichtungen finde mancherorts „lückenhaft, nicht regelhaft und in zu großen Abständen“ statt.

Ferner könne die Gesundheitsberichterstattung zur Steuerung der notwendigen Präventionsmaßnahmen oder auch der Benennung möglicher Versorgungsdefizite nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt werden. Wegen der Aufrechterhaltung der Kernaufgaben litten zusätzliche präventive Maßnahmen wie Impfberatung und Informationsveranstaltungen.

„Wir laufen sehenden Auges in den Kollaps des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“, warnt Yanki Pürsün, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Zu den ohnehin fehlenden Ärzten seien zudem weitere Vakanzen wegen Ruhestandsabgängen absehbar, heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Als ein wichtiger Grund für den Mangel an ÖGD-Ärzten taucht immer wieder die Vergütung auf, die erheblich von den Tarifen an kommunalen Krankenhäusern oder Unikliniken abweicht. Interessenten müssten folglich „deutliche Gehaltseinbußen“ in Kauf nehmen. Dagegen könnten „kalkulierbarere Arbeitszeiten, die insbesondere für junge Eltern interessant sind“, nach Ansicht des Ministeriums Motivation für einen Einstieg in den ÖGD sein.

Daneben werden auch fehlende Qualifizierungsmöglichkeiten zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen genannt. Häufig scheitere dies an einer fehlenden Weiterbildungsermächtigung der amtsleitenden Ärzte. In Hessen gebe es zudem keinen Lehrstuhl für Öffentliches Gesundheitswesen, der an einer Universität dem Fachbereich Medizin angegliedert ist, um den Studenten frühzeitig die Inhalte des Fachgebietes nahezubringen.

Zwar gebe es verschiedene Fachhochschulen, die Studiengänge wie Gesundheitsmanagement, Gesundheitsförderung oder Ernährungswissenschaft und auch „Public Health“ anböten, diese qualifizierten jedoch ausdrücklich nicht für die medizinisch-ärztlichen Aufgaben im ÖGD.

So setzen die Bemühungen des Landes und der Gesundheitsämter zur Besetzung der offenen Stellen bei verstärkter Information über Arbeitsgebiete und -zeiten im ÖGD an, reichen über Stellenausschreibungen in Dauerschleife bis hin zur Schaffung neuer Weiterbildungsstellen.

Am erfolgreichsten dürfte der Hebel Vergütung sein: In einigen Fällen gewähren Gesundheitsämter den Angaben zufolge bereits eine übertarifliche Bezahlung oder auch Zulagen.

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