Gesundheitskongress des Westens

Warum Kliniken weibliche Führungskräfte fehlen

Ärztinnen stellen fast die Hälfte aller in der Versorgung tätigen Mediziner. In leitenden Positionen in Kliniken spiegelt sich das nicht wider. Expertinnen erklärten beim „Gesundheitskongress des Westens“, woran es mitunter scheitert.

Von Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Viele Frauen kehren der Pflege auch den Rücken, weil ihr Wunsch nach weniger Arbeitszeit eben nicht genehmigt wird,
berichtete Sabrina Roßius, Leiterin der Intensivstation an den Alexianer St. Hedwig Kliniken in Berlin.

Viele Frauen kehren der Pflege auch den Rücken, weil ihr Wunsch nach weniger Arbeitszeit eben nicht genehmigt wird, berichtete Sabrina Roßius, Leiterin der Intensivstation an den Alexianer St. Hedwig Kliniken in Berlin.

© WISO/Schmidt-Dominé

Köln. Solange sich die Rahmenbedingungen in den Kliniken nicht ändern, wird es nur schwer gelingen, Ärztinnen und weibliche Pflegefachkräfte an die Häuser zu binden und ihnen den Weg in Führungspositionen zu ebnen.

„Ich bin überzeugt, dass viele Ärztinnen und Pflegerinnen bereit sind, in ihrem Beruf zu arbeiten, aber es fehlt die Flexibilität“, sagte Dr. Barbara Puhahn-Schmeiser, Vizepräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, beim „Gesundheitskongress des Westens 2020“ in Köln.

Gefragt seien flexible Arbeitszeitmodelle, die Nutzung des Homeoffice und die Arbeit mit geteilten Führungspositionen – und zwar nicht nur für Frauen. Deshalb müssten die Klinikleitungen umdenken.

„Sie werden nicht umhinkommen, individualisierter auf die Bedürfnisse einzugehen“, betonte Puhahn-Schmeiser, die als Neurochirurgin an der Universitätsklinik Freiburg arbeitet. Denkbar ist für sie ein weiterer Hebel: „Man kann sich vorstellen, in Zielvereinbarungen für Chefärzte Personal-Förderungsprogramme einzubauen.“

Homeoffice auch für Ärzte möglich

Die Erfahrungen mit dem Homeoffice während der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass auch Klinikärztinnen viele Aufgaben von zu Hause erledigen können. Zwar müsse die Versorgung am Krankenbett erfolgen, auch Operationen und die Gespräche mit Angehörigen bei schwierigen Diagnosen erforderten Präsenz vor Ort.

„Aber es gibt viele administrative Tätigkeiten, die ganz viel Zeit in Anspruch nehmen, die man auch mit sicheren Fernarbeitsplätzen aus der Ferne erledigen kann“, betonte sie. Je mehr Personalverantwortung eine Ärztin habe, desto mehr administrative Arbeiten seien damit verbunden, die sich für das Homeoffice eignen.

Stationsärztinnen könnten rund ein Drittel der Tätigkeiten nach Hause verlagern, schätzt sie. Auch telemedizinische Möglichkeiten könnten in den Kliniken verstärkt genutzt werden.

Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern

Solche Angebote können dazu beitragen, Ärztinnen nach einer Kinderpause den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Hilfreich wären auch gezielte Wiedereinstiegsprogramme. „Sie sind wichtig, weil Potenzial durch Schwangerschaft und Babypause verloren geht.“ Denkbar sind Weiterbildungen auch in der Elternzeit oder die Online-Teilnahme an Team-Besprechungen.

Mit solchen Angeboten für Pflegekräfte hat Sabrina Roßius gute Erfahrungen gemacht, Leiterin der Intensivstation an den Alexianer St. Hedwig Kliniken in Berlin. „Man muss viel enger mit den Leuten in Kontakt bleiben“, sagte sie.

In Schwangerschaft und Elternzeit können die Frauen an Besprechungen und Weiterbildungen teilnehmen und bekommen die Zeiten gutgeschrieben. Zu Beginn der Corona-Pandemie hat Roßius ausgeschiedene Kolleginnen zurückgeholt und ihnen ein Warm-Up angeboten, damit sie sich wieder auf Stand bringen konnten.

Zwar werde jetzt gestärkt um Pflegefachkräfte geworben, Kolleginnen, die den Beruf verlassen haben, blieben aber zurückhaltend. „Sie kommen nicht freudig und schnell zurück, weil das Misstrauen in das Einhalten von Versprechen unheimlich groß ist“, berichtete sie.

Die Frauen wüssten, dass ihr Wunsch nach Teilzeit oder eingeschränkten Arbeitszeiten häufig nicht genehmigt wird oder zu Problemen mit den Kolleginnen auf der Station führt. Deshalb gingen manche lieber zu Personalvermittlern.

Nur 13 Prozent der Führungskräfte an Unikliniken sind Frauen

Nach Angaben von Puhahn-Schmeiser sind in der Medizin nur 13 Prozent der universitären Führungspositionen von Frauen besetzt. In der Pflege sieht das zwar anders aus. „Aber die Inhalte entsprechen dem nicht“, stellte Roßius klar. Die Leiterin einer Station mit 35 Mitarbeiterinnen müsse immer noch selbst am Bett tätig werden, erläuterte sie.

Angesichts des Fachkräftemangels kann das Ignorieren der Bedürfnisse von Frauen keine Option sein, sagte Saskia-Lana Leicht, Leiterin des Ressorts Beteiligungscontrolling bei der Knappschaft Kliniken GmbH. „Wir müssen herausfinden, was die Frauen eigentlich wollen“, betonte sie.

Eine Befragung unter Mitarbeitern hat gezeigt, dass sich Frauen unter anderem flexible Arbeitszeiten wünschen, eine Kita für die Betreuung ihrer Kinder oder die Möglichkeit zum Homeoffice. Auch bei der Altersversorgung oder dem Thema Gleichberechtigung haben sie andere Bedürfnisse als ihre männlichen Kollegen.

Um Ärztinnen und Pflegefachkräfte bei der Stange zu halten, eignen sich neben solchen Maßnahmen nach ihrer Erfahrung auch Traineeprogramme oder gemeinsame Führungsseminare für beide Berufsgruppen. „Wir müssen das riesige Portfolio an Möglichkeiten besser nutzen“, forderte Leicht.

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