Rauchen

Weitere Tabak-Werbeverbote im Bundestag auf der Zielgeraden

Ärzte fordern seit Jahren, auch in Deutschland, Reklame für Tabakprodukte auf Plakatflächen zu unterbinden. Nun ist der Bundestag am Zug – die Pläne der Bundesregierung stehen zur Entscheidung.

Veröffentlicht:
Werbung für das Rauchen soll Lebensgefühl vermitteln. Genau das wollen die Befürworter des Tabakwerbeverbots unterbinden.

Werbung für das Rauchen soll Lebensgefühl vermitteln. Genau das wollen die Befürworter des Tabakwerbeverbots unterbinden.

© Frank May / Picture Alliance

Berlin. Es war ein langer und schwieriger zweiter Anlauf – aber jetzt soll es mit weiteren Werbebeschränkungen fürs Rauchen schnell gehen: Vier Jahre nach einem gescheiterten ersten Versuch will die große Koalition in der neuen Woche ein schrittweises Verbot der Plakatwerbung durchs Parlament bringen. Wirksam werden soll es ab 2022.

Ins Visier kommen auch E-Zigaretten. Weitere Beschränkungen sind für Kinowerbung und Marketingaktionen geplant. An diesem Montag steht eine Expertenanhörung an, am Donnerstag soll der Bundestag die Pläne beschließen. Ärzte fordern das seit langem. Es gibt aber auch Kritik.

Unionsfraktionsvize Gitta Connemann (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Werbung richtet sich an jugendliche Nichtraucher. Und sie wirkt.“ Der Griff zur ersten Zigarette erfolge im Schnitt mit 14,8 Jahren. Dabei seien Tabak und Nikotin „einmalig in ihrer Gefährlichkeit und Suchtpotenz – auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch“. Doch welcher Jugendliche wisse das und könne es wissen? „Plakate zeigen keine Lungenkarzinome, sondern suggerieren Lebensgefühl.“ Es gehe bei der Ausweitung der Werbebeschränkungen also um die Gesundheit junger Menschen. „Diese ist unverhandelbar.“

Erster Versuch scheiterte in der letzten Legislaturperiode

Dass striktere Reklameregeln nun auf die Zielgerade kommen, war nicht von vornherein klar. „Dafür hat die SPD lange gekämpft“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch bereits bei der Einbringung des Entwurfs Ende Mai. Denn ein erster Versuch war in der vorigen Wahlperiode an der Union gescheitert. Das Kabinett stimmte zwar 2016 Plänen des zuständigen Ernährungsministeriums zu. Das Gesetz wurde im Bundestag aber nie beschlossen. Dann tat sich nichts. Im Dezember 2019 gab die CDU/CSU-Fraktion doch den Weg für Neuregelungen frei.

Konkret sollen Reklamemöglichkeiten gestaffelt unterbunden werden. Zuerst soll ab 1. Januar 2022 ein Werbeverbot auf Außenflächen wie Plakatwänden oder Haltestellen für herkömmliche Tabakprodukte kommen. Für Tabakerhitzer soll es ab 1. Januar 2023 greifen, für E-Zigaretten ab 1. Januar 2024.

Kinowerbung ab Januar 2021 tabu

Schon ab 1. Januar 2021 tabu sein soll Kinowerbung fürs Rauchen, wenn der Film für unter 18-Jährige freigegeben ist. Schluss sein soll dann auch mit dem Verteilen von Gratis-Proben außerhalb von Fachgeschäften etwa bei Musikfestivals und Tabakprodukten als Gewinnen bei Preisausschreiben.

Für viele Gesundheitsexperten sind solche Schritte überfällig - doch wie ist es mit Lücken im Kompromiss? „Wesentliche Werbekanäle“ seien vom Verbot nicht umfasst, heißt es in der Stellungnahme des Deutschen Krebsforschungszentrums für die Anhörung im Bundestag.

Außenwerbung in Fachgeschäften soll möglich bleiben

Das zielt auf die Ausnahme, dass Außenwerbung an Fachgeschäften möglich bleiben soll. Zumindest sei eindeutig und eng zu definieren, was „Fachhandel“ bedeutet. Denn ohne Automaten gebe es 104 900 Verkaufsstellen für Tabak, darunter Tankstellen und Supermärkte. Und als „Nebenhandel“ verkaufen oft Schreibwarengeschäfte Zigaretten – in die auch häufig Kinder und Jugendliche kommen, um sich Schulbedarf zu besorgen.

Daneben dauert es Ärzten zu lange, bis die Außenwerbeverbote ab 2022 nach und nach greifen. Angesichts von 120 000 Tabaktoten im Jahr müssten umfassende Regelungen möglichst kurzfristig wirksam werden, mahnte die Bundesärztekammer anlässlich der ersten Beratung über den Antrag im Bundestag Ende Mai. Verboten ist Tabakwerbung etwa schon in Radio und Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften.

FDP: Werbeverbot unverhältnismäßig

Anderen gehen die Pläne zu weit. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte der dpa: „Das Verbot, für legale Produkte zu werben, ist nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern könnte sich im Endeffekt im Hinblick auf den Gesundheitsschutz als kontraproduktiv erweisen, wenn auf risikoärmere Erzeugnisse nicht mehr hingewiesen werden darf.“

Der Gefäßchirurg Martin Storck vom Städtischen Klinikum Karlsruhe erklärt in seiner Stellungnahme für die Anhörung, eine Quasi-Gleichbehandlung von Verbrennungszigaretten mit risikoreduzierten Alternativen sende ein falsches Signal an Raucher. „Die Konsequenz hieraus ist, dass die Menschen mangels besseren Wissens weiterrauchen.“ (dpa)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen