Spahn und die Selbstverwaltung

„Wie ein kleiner Sonnenkönig!“

Im Koalitionsvertrag steht der Satz: „Wir wollen die Selbstverwaltung stärken“. Bei den Adressaten wird diese Aussage nach mehreren gesetzlichen Eingriffen nur noch als zynisch empfunden.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Förderer der Selbstverwaltung oder für deren Aushöhlung? Jens Spahn. (Archivbild)

Förderer der Selbstverwaltung oder für deren Aushöhlung? Jens Spahn. (Archivbild)

© Wolfgang Kumm / dpa / picture-alliance

BERLIN. Scharfe Kritik an den politischen Eingriffen in die soziale und gemeinsame Selbstverwaltung: „Die Schwächung der Selbstverwaltung kann eine dramatische Langzeitwirkung entfalten“, sagte Dr. Volker Hansen, Verwaltungsratsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands und Vertreter der Arbeitgeber am Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Verbands in Berlin. Die Handlungsspielräume der Selbstverwaltung müssten erhalten bleiben, sonst drohe Staatsmedizin.

Hansen und sein für die Arbeitnehmerseite zuständiger Kollege Uwe Klemens führten dafür mehrere Beispiele an:

  • Die gesetzlich vorgegebene Übernahme der gematik durch die Bundesregierung schalte die Selbstverwaltung bei der Weiterentwicklung der Digitalisierung des Gesundheitswesens aus. Die Kassen müssten weiterhin die gesamten Kosten tragen, hätten aber mit 24,5 Prozent Anteil an der Gesellschaft nicht einmal mehr eine Sperrminorität.
  • Die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), aus dem Ministerium heraus Therapien und Methoden in den Leistungskatalog zu hieven und dabei den Gemeinsamen Bundesausschuss zu umgehen, bezeichnete Klemens als „völligen Systembruch“. „Wenn die objektiven Kriterien der GBA-Verfahren aufgegeben werden, werden die Lobbyisten dem Minister die Türen einrennen“, warnte Klemens.
  • Mit dem Versichertenentlastungsgesetz (VEG) hat Jens Spahn in die Finanzautonomie der Kassen eingegriffen und sie zum Abschmelzen ihrer Finanzreserven verdonnert. „Dient das wirklich einer Verbesserung der Versorgung oder werden hier Wahlkampfargumente vorbereitet?“ sagte Klemens. Stichwort: Mögliche Absenkung von Zusatzbeiträgen.

Ungeduld der Bürger als Begründung

Der Chef des Gesundheitsministerium als Adressat der Vorwürfe war nicht persönlich anwesend. Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß übernahm den Part, die Politik der Koalition zu verteidigen. „Die Menschen kommen in die Wahlkreisbüros, nicht zur Selbstverwaltung, wenn sie Probleme haben“, argumentierte Kraus.

Wenn in der Selbstverwaltung etwas zu lange dauere oder nicht klappe, komme dann eben die Ersatzvornahme. Subsidiarität bedeute, dass die zuständige Ebene ein Problem löse. Gelinge das nicht, greife die darüber liegende Ebene ein.

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis – „Ich bin nicht typisch für die Koalition!“ – stellte sich auf die Seite der Selbstverwalter. Ob Spahn die gematik managen könne, müsse er erst noch beweisen. Wenn die Gesellschaft mehrheitlich in staatliche Hand übergehe, dürfe die Rechnung nicht mehr an die Beitragszahler gehen, sagte Mattheis. Dann müssten Steuermittel dafür herhalten.

Mattheis betonte, dass die Gesundheitspolitiker der SPD eine Verordnungsermächtigung des Ministeriums in Sachen Leistungskatalog nicht mittragen würden.

Linke: Warnung vor Zerstörung der Selbstverwaltung

Der Linken-Politiker Harald Weinberg – „Spahn verhält sich wie ein kleiner Sonnenkönig!“ – warnte vor der Zerstörung der Selbstverwaltung als tragendes Prinzip des Solidarsystems. Daran vorbei zu regieren beschädige eingeübte demokratische Strukturen und führe in postdemokratische Zustände.

Der Koalitionsvertrag sieht auch eine Reform der Sozialwahlen vor. In diesen in der Öffentlichkeit eher unbekannten Wahlen können die gesetzlich Versicherten das Personal der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger bestimmen

 „Die Sozialwahlen sollten als Vehikel genutzt werden, um die Bedeutung der Selbstverwaltung in der Bevölkerung bekannter zu machen“, schlug Kordula Schulz-Asche von den Grünen vor. Zudem solle die Legitimation der Selbstverwaltung durch die Aufnahme von Vertretern der Patienten, der Heilberufe und der Pflegeberufe gestärkt werden.

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