Deutsch-chinesischer Pakt

Wie gesund kann das Reich der Mitte werden?

China ist nicht nur von der Demografie geplagt, auch im Gesundheitssystem läuft nicht alles rund. Gemeinsam mit seinem Partner Deutschland sollen jetzt Handlungsoptionen ausgelotet werden, sieht der "Rahmenplan für Gesundheit für die Jahre 2018-2020" vor.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Familienfoto mit Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang (M.) sowie in der zweiten Reihe Gesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Amtskollegen Ma Xiaowei (r.).

Familienfoto mit Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang (M.) sowie in der zweiten Reihe Gesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Amtskollegen Ma Xiaowei (r.).

© Kay Nietfeld / dpa / picture

BERLIN. Unbestritten befinden sich Deutschland und China im Griff der Demografie. Die Überalterung ihrer Gesellschaften stellt beide Staaten vor große – auch systemspezifische – Herausforderungen.

Da liegt es nahe, dass beide Seiten voneinander lernen wollen – wissenschaftlich fundiert und anhand von Best-Practice-Beispielen aus dem Versorgungsalltag.

Festgezurrt wurde diese Absicht nun nochmals – Deutschland begleitet China bereits seit Jahren beim Umbau seines Gesundheitssystems – im Zuge der fünften deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin.

Hier unterzeichneten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sein Amtskollege Ma Xiaowei diese Woche einen "Rahmenplan für Gesundheit für die Jahre 2018-2020", der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Gemeinsamer Kampf gegen nichtübertragbare Erkrankungen

"Beide Seiten sind an einem gemeinsamen Austausch darüber interessiert, mit welchen Strategien und Maßnahmen die künftigen Herausforderungen bewältigt werden können. Sie regen daher an, sich in den kommenden beiden Jahren auf die gesundheitspolitischen Aufgaben und Perspektiven zu konzentrieren, die sich für und in einer Gesellschaft des langen Lebens ergeben", heißt es bedeutungsschwanger.

Deutschland und China wollen sich so fokussiert dem gemeinsamen Kampf gegen nichtübertragbare Erkrankungen wie die des Herz-Kreislauf-Systems, Krebs, chronischen Lungenerkrankungen, muskuloskelettale Erkrankungen sowie Diabetes mellitus widmen.

Hier lassen sich sicher für die chinesische Seite Anregungen – auch für die Prävention – aus Deutschland holen. Allerdings muss das Reich der Mitte auch seine Rahmenbedingungen reflektieren, die der einen oder anderen gesundheitlichen Beeinträchtigung förderlich sein können – Stichworte sind hier Smog, Umwelt- und Arbeitsschutz.

Sorgenkind Ärztemangel

China setzt an einem anderen Punkt auf konkrete deutsche Expertise. Aufgrund einer miserablen Entlohnung stellte der Arztberuf für viele Chinesen keine wirklich erstrebenswerte Berufsoption dar, florierten Hongbao, rote Geldbriefchen, die die Patienten ihren Ärzten für eine bessere Behandlung zusteckten – wie in vielen anderen Ländern der Region auch.

Nun hatte sich China aufgetragen, durch eine Reihe von Maßnahmen die Zahl der Ärzte je Tausend Einwohner im Zeitraum von 2015 bis 2020 von einem auf zwei nahezu zu verdoppeln.

"Darüber hinaus erfordern hochentwickelte Therapiemöglichkeiten in der Medizin auch Kooperationen für die Fortbildung von medizinischen Spezialisten", steht weiter im Rahmenplan geschrieben. Das heißt, hier strebt China einen engeren Schulterschluss mit Deutschland an, um möglichst viele einheimische Ärzte fit zu machen für eine HighTech-Medizin.

Das wird vor allem den Städten zugutekommen, deren Krankenhäuser in der Regel immer noch besser ausgestattet sind als Einrichtungen auf dem Lande.

Des Weiteren strebt China angesichts eines absehbaren Fachkräftemangels in der Pflege einen regen Austausch im Bereich der nicht-akademisierten Pflege sowie weiteren Gesundheitsberufen an.

Hier könnte sich Deutschland als Konkurrent entpuppen, ziehen immer mehr chinesische Pflegekräfte die Arbeit in einer deutschen Einrichtung der in einer einheimischen vor, werben deutsche Arbeitgeber auch gezielt um diese Fachkräfte – wie auch vermehrt um vietnamesische oder philippinische.

Bei Qualität und Kosten drückt der Schuh

Die wohl größte Kraftanstrengung steht den Chinesen bei der Qualitätssicherung und Kostenentwicklung in ihrem Gesundheitssystem bevor. Zwar sollen bis 2020 alle rund 1,3 Milliarden Chinesen einen generellen Krankenversicherungsschutz genießen können.

Dieser wird die Kosten Schätzungen zufolge aber bis maximal 80 Prozent decken können, damit die Gesundheitsausgaben nicht aus dem Ruder laufen.

Hier schaut China schon lange nach Deutschland und könnte das deutsche DRG-System als Blaupause nehmen. Allerdings gilt es vorher, die großen Qualitätsdefizite in der Versorgung in den unterschiedlichsten Krankenhäusern im Reich der Mitte anzugehen.

Hier muss China einen Weg finden, nach welchem Modell es seinen Gesundheitssektor verwalten und orchestrieren will – und wieviel staatliche Kontrolle es dafür für nötig hält.

Da der Trend in China aber zur totalen Bevölkerungskontrolle tendiert – Stichwort Sozialkredit-System –, wird hier wahrscheinlich wenig Raum für Freiheit gegeben sein. Mal sehen, welche Kräfte der Dialog entfaltet.

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