"Wieder einmal wurde nur an einzelnen Stellschrauben gedreht"

Opposition, Ärzte und Kassen stellen der großen Koalition ein schlechtes Zeugnis aus.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

Große Koalitionen machen große Reformen - für Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, geht diese Gleichung nicht auf. Union und SPD hätten in ihrem gemeinsamen Koalitionsvertrag vom November 2005 unter anderem die "Sicherung einer nachhaltigen und gerechten Finanzierung der Pflegeversicherung" vereinbart. "Davon fehlt jede Spur", sagt Scharfenberg. Die zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Pflegeform enthalte allenfalls "ein paar gut gedachte, aber schlecht gemachte Ansätze". Und die Finanzierung der Pflegeversicherung reiche höchstens bis 2014. Fazit der Grünen-Politikerin: "Große Koalition, das bedeutet kleine Reformen."

Ähnlich äußert sich, was die Gesundheitsreform anbetrifft, FDP-Gesundheitsexperte Detlef Parr. Unter Schwarz-Rot sei im Grunde das fortgesetzt worden, was man schon aus der Vergangenheit kenne: "Es wurde an einzelnen Stellschrauben des Gesundheitswesens gedreht, nicht aber über eine nachhaltige Gesundheitsreform nachgedacht." Dazu gehöre eben auch eine "echte" Finanzierungsreform. "Die hat wieder einmal nicht stattgefunden." Die Bundesgesundheitsministerin hält der gelernte Realschullehrer Parr denn auch für "akut versetzungsgefährdet."

Dass die nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens eine zentrale Baustelle der Politik bleibt, davon zeigt sich auch Professor Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen-Angestellten Krankenkasse (DAK), überzeugt. "Der Gesundheitsfonds war nur ein Vehikel, um mit Anstand den Wahltag zu erreichen." Die gesetzlichen Krankenkassen jedenfalls seien mit dem, "was da mit dem GKV-WSG geschehen ist, nicht sehr glücklich". Die Finanzsituation in der GKV bleibe weiterhin "angespannt", gibt Rebscher den Koalitionären mit auf den Weg.

Von "grundlegenden" Veränderungen im Gesundheitswesen durch Schwarz-Rot spricht der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler. Wohin das Ganze führe, ließe sich derzeit noch nicht abschätzen. Das Ziel, für mehr Wettbewerb im System zu sorgen, sieht Köhler jedenfalls nicht erreicht. "Bei den Hausarztverträgen hat die Koalition jeglichen Wettbewerb direkt wieder abgewürgt, in dem sie per Gesetzesänderung den Hausärzteverband zum Quasi-Monopolisten machte. Dagegen werden wir mit allen Mitteln vorgehen."

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