Repräsentative Umfrage

Wo sterben? Wirklichkeit und Wunsch klaffen auseinander

Der Hospiz- und Palliativverband hat die Menschen in Deutschland nach dem Sterben gefragt. Die Ergebnisse zeigen Trends und Defizite auf.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Patientenverfügungen sind im Aufwind. In den vergangenen fünf Jahren ist ihre Verbreitung in der Bevölkerung massiv gestiegen. Als Grund gelten die Debatten über "Sterbehilfe" der jüngeren Vergangenheit. Einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes (DHPV) zufolge verfügen inzwischen 43 Prozent der Erwachsenen über eine Patientenverfügung, 2012 waren es nur 26 Prozent. Für den DHPV gilt dies als Beleg dafür, dass sich eine Mehrheit der Menschen in Deutschland eine intensivere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Sterben wünscht.

Während die Beratung zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten in stationären Pflegeeinrichtungen von den Kassen vergütet werden, müssen niedergelassene Ärzte diese Beratungsleistungen umsonst erbringen oder privat liquidieren.

Ambulante Hospizdienste und niedergelassene Ärzte sind als Berater zunehmend nachgefragt. Der DHPV plädiert daher für eine offen angelegte Strategie. "Wenn wir bei den Beratungen in die Breite wollen, kann die Aufnahme der Leistungen in den EBM ein Baustein sein", sagte DHPV-Geschäftsführer Benno Bolze bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse am Freitag in Berlin.

Wunsch und Wirklichkeit, was den Ort des Sterbens angeht, klaffen nach wie vor weit auseinander. Auch dafür liefert die Umfrage Belege (siehe Grafik). Deutlich mehr als die Hälfte (58 Prozent) der von der Forschungsgruppe Wahlen telefonisch befragten Menschen will in den eigenen vier Wänden sterben. Tatsächlich sterben 58 Prozent der Menschen im Krankenhaus.

Tendenziell hat seit der letzten Umfrage von 2012 die Bedeutung der Hospiz- und Palliativversorgung zugenommen. Der Anteil der Menschen, die sich vorstellen können, ihre letzten Stunden in einer Einrichtung zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen zu verbringen, ist seit 2012 um neun Prozent auf 27 Prozent gestiegen.

Als Ansprechpartner vor allem bei Fragen rund um die Hospiz- und Palliativarbeit sind die Hausärzte stark gefragt. Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) würde sich bei der Suche nach einem Platz im Hospiz oder in einer palliativmedizinischen Einrichtung an seinen Hausarzt wenden.

Hausärzte sind auch selbst in der Palliativversorgung aktiv. Dass versucht werde, ihnen an dieser Stelle Steine in den Weg zu legen, stößt beim Deutschen Hausärzteverband auf Unverständnis. "Genau das geschieht mit den neuen Palliativziffern, die KBV und Kassen vereinbart haben", sagte Verbandssprecher Vincent Jörres am Freitag der "Ärzte Zeitung". Die Vereinbarung fordert für einige der Ziffern Fortbildungen, die der Hausärzteverband mit der Weiterbildung als bereits erbracht ansieht.

Die Versorgung ist noch lange nicht gut. Laut Vertretern des DHPV ist die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV), auf die seit 2007 ein Anspruch besteht, nach wie vor nicht flächendeckend umgesetzt. Ein Hindernis sei auch der Ärztemangel auf dem Land.

Wissen zum Sterben

» 82 Prozent der Deutschen wissen nicht, dass Hospiz- und Palliativangebote kostenlos sind

» 25 Prozent kennen den Begriff "palliativ" nicht

» 35 Prozent sehen Hausärzte als wichtige Ansprechpartner bei der Suche nach Hospiz- und Palliativangeboten

Quelle: DHPV; Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld

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