Zu Besuch im Arbeitszimmer von Dr. Rösler

Höflich, charmant und inzwischen fachlich angekommen im Dschungel Gesundheitswesen präsentiert sich Gesundheitsminister Philipp Rösler am Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Eine Stunde lang beantwortet er Fragen, lässt Besucher in sein Arbeitszimmer und sucht das Gespräch mit protestierenden Hausärzten.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Gesprächsbedarf: Gesundheitsminister Philipp Rösler und Wolfgang Kreischer (li.), Chef des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg, vor dem BMG.

Gesprächsbedarf: Gesundheitsminister Philipp Rösler und Wolfgang Kreischer (li.), Chef des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg, vor dem BMG.

© dpa

BERLIN. Der Sommer hat noch einmal voll aufgedreht. Die Wetterstationen melden 30 Grad. Im Bundesgesundheitsministerium an der Friedrichstraße 108 ist trotz Badewetter die Hölle los. Hausherr Philipp Rösler hat zum Tag der offenen Tür geladen - so wie Kanzleramt und alle anderen 15 Bundesministerien an diesem Wochenende auch.

Ein älteres Ehepaar sucht nach Erfrischung. Trotz Klimaanlage ist die Luft in der großen Eingangshalle des Ministeriums stickig und schwül. Am Infostand der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung scheinen die beiden fündig geworden zu sein. "Cocktails ohne Alkohol" werden dort gemixt. Umsonst gibt es die aber nicht. Wer einen "Fresh Jungle" oder einen "Paradise Hunter" möchte, muss erst mal Kreuzworträtsel lösen. "Kinderleicht" sei das, meint einer. Das ältere Ehepaar kommt dennoch ins Schwitzen. Vom englischen Begriff "Binge-Drinking" - Komatrinken - haben weder er noch sie bislang etwas gehört. Wie soll da die korrekte Übersetzung ins Deutsche gelingen?

Inzwischen hat sich auch Minister Rösler unter die Besucher gemischt. Er spricht über seinen "Lebensmittelpunkt Hannover", wo seine Frau und Zwillingskinder leben. Über seine neue politische Heimat Berlin, von der er früher, als er noch Wirtschaftsminister in Niedersachsen war, mehr gesehen habe als jetzt. "Ich war in den vergangenen neun, zehn Monaten einmal spazieren." Es gefalle ihm dennoch gut an der Spree - auch wenn die Journalisten hier "etwas schärfer" nachfragen würden.

Nachgefragt - wenn auch weniger professionell, dafür aber umso persönlicher - wird auch an diesem Sonntagmittag. Ein grauhaariger Mann, der sich als Mitglied der Partei der Rentnerinnen und Rentner outet, will wissen, was der Minister gegen eine steigende Zahl illegal Beschäftigter in der Pflege tun will.

Rösler bedankt sich für die Frage. Die Pflege komme in der öffentlichen Diskussion ja häufig zu kurz, sagt er. Ein Vorwurf, den Rösler selber ständig zu hören bekommt. Der FDP-Minister, schimpfen Opposition und Verbände unisono, kümmere sich um alles, nur nicht um die Probleme in der Pflege.

Rösler sieht das anders: "Es heißt zwar Bundesministerium für Gesundheit, aber es ist ein Bundesministerium für Gesundheit und auch für den gesamten Bereich der Pflege." Und weil das so sei, werde sein Haus das Thema Pflege "jetzt" angehen: Ergänzung der Sozialen Pflegeversicherung um eine kapitalgedeckte Säule und bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte.

"Pflege muss besser bezahlt werden als es heute der Fall ist", verlangt Rösler. Deswegen sei er auch immer für den Mindestlohn in der Pflegebranche gewesen. Solche Worte von einem Liberalen? Nicht wenige im Saal sieht man ziemlich erstaunt in diesem Moment.

Der Politiker Rösler ist auf den Beliebtheitsskalen abgerutscht. Die Ankündigung höherer Krankenkassenbeiträge hat ihn viel Sympathie gekostet. Da tut es gut, mal wieder beklatscht zu werden - etwa für die stets populäre Botschaft, Pharmaindustrie, Apotheker oder Hausärzte härter an die Kandare nehmen und zu Einsparungen bewegen zu wollen. Das sorge bei den Betroffenen natürlich für "Unmut", sagt Rösler. "Aber ich finde es gerechtfertigt, weil es Ihre Versichertengelder sind." Applaus an dieser Stelle ist ihm sicher.

Ein wenig brenzlig wird es, als ein Besucher in der Tonlage eines Ansageautomaten auf dem Bahnsteig fragt, wie sich Rösler zu Befürchtungen positioniere, "dass eine Zerschlagung des Sachleistungsprinzips zugunsten der Kostenerstattung finanziell schwächer gestellte Versicherte" vom Arztbesuch abhalte. Sollte er solche Befürchtungen im Reformgesetz der Koalition bestätigt sehen, setzt der Mann hinzu, behalte er sich eine Verfassungsklage vor.

Rösler reagiert gelassen. Kostenerstattung sei für GKV-Versicherte heute schon "gesetzliche Realität". Es gebe aber Hemmnisse, Gebrauch davon zu machen. So bekäme ein Patient, der sich für Kostenerstattung entscheide, nur 90 Prozent der Sachleistung erstattet. "Das heißt, Sie werden jetzt schon benachteiligt." Daher wolle er die Hemmnisse beseitigen und die Wahl von Kostenerstattung erleichtern, zumal diese die Eigenverantwortung stärke. In einem Punkt seien sich aber alle einig: "Das darf nicht zu Lasten der Versicherten gehen", sagt Rösler und lächelt in die blitzenden Fotoapparate.

Von den Aktionen der Hausärzte gegen die geplanten Honorarkürzungen in neuen Hausarztverträgen ist zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu sehen. Schon am Vormittag hatte man dem Minister einheizen und die Öffentlichkeit auf drohende Versorgungsdefizite aufmerksam machen wollen. Der Sturm der Entrüstung sei aber eher ein laues Lüftchen gewesen, heißt es. Unter den Demonstranten seien weniger als eine Handvoll Hausärzte gewesen.

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