Kommentar
Zwischenmenschlichkeit bleibt auf der Strecke
Ein Telefonbot soll Demenzpatienten zum Sprechen anregen. Eigentliche keine schlechte Idee – aber nur eigentlich.
Veröffentlicht:Im Prinzip ist es eine gute Idee: Ein Telefonbot soll Demenzkranke anrufen, sie in Gespräche verwickeln und so ihre Sprachfähigkeit trainieren und am Leben erhalten. Und angesichts eines immer größeren Personalmangels in der Pflege, angesichts knapper Kassen und hoher Kosten ist das wohl auch der einzig gangbare Weg für so ein Angebot. Denn es ist realistisch kaum vorstellbar, dass für solche Angebote künftig noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereitgestellt werden können.
Doch Bauchschmerzen bleiben. Und zwar massiv. Denn sind solche Angebote wirklich das, wohin sich unsere Gesellschaft in Sachen Pflege weiterentwickeln sollte? Wollen wir wertvolle menschliche Kontakte wirklich durch kostengünstige künstliche Intelligenz ersetzen? Und dann auch noch bei den Schwächsten - Motto: Die Dementen merken es ohnehin nicht mehr, ob sie mit einem Menschen oder einer Computerstimme telefonieren? Wieweit darf der Einfluss solcher Technologien künftig gehen? Wie lässt sich verhindern, dass Maschinen Menschen so ersetzen, dass am Ende die Zwischenmenschlichkeit auf der Strecke bleibt? Ist es nicht gerade ein Ideal der Pflege, dass Pflegende auch Zeit für die Gepflegten haben? Spielt der Gedanke der Nächstenliebe künftig keine Rolle mehr?
Wie durch ein Brennglas lässt die an und für sich gelungene Innovation aus Cottbus die Probleme unserer Zeit sichtbar werden. Doch alle diese Fragen müssen gestellt werden, so lange es noch geht. Denn haben solche Innovationen wie der Telefonbot aus Cottbus erst einmal den Markt erobert, ist es dafür zu spät. Dann sorgt die unheilige Trias aus Kostendruck, Zeitmangel und Personalknappheit dafür, dass man schlicht keine anderen Wege suchen wird: Schließlich, so wird es dann heißen, hat sich der Telefonbot doch bewährt.
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